"Wenn sie mal gestorben ist, muss man ihr Mundwerk extra erschlagen"
"Die redet wie ein Maschinengewehr."
"Warum benutzt Du eigentlich ein Telefon? Der andere versteht Dich auch so. Bei deinem Organ."
"Vergiss nicht Luft zu holen."
"Isch krieg Tinnitus von deiner Lache."
Alles Sätze, die mir galten. Alles Sätze, die ich lange nicht mehr gehört habe.
Denn es ist ruhig um mich geworden. Seitdem meine Atemmuskulatur die Arbeitseinstellung eines Faultieres hat. Wobei die ja gar nix dafür kann. Die Nerven sagen ihr halt nicht mehr die Meinung. Die machen sich aus dem Staub. Und wenn die Katze aus dem Haus ist, legen sich die Muckis zur Ruhe.
Und wecken is nich.
Tiefschlaf. Ohnmacht. Koma?
Das hat zur Folge, dass mir schon mal gerne die Luft wegbleibt. Nicht so, dass ich blau anlaufen würde. Aber genug, um das Sprechen zum Kraftakt werden zu lassen. Wenn ich was erzähle klingt das eher nach "Reden beim Marathonlauf."
Und davon bin ich bekanntermaßen weit mehr als nur 42,195 km entfernt.
Leider klingt es aber nicht nur angestrengt bis atemlos. Es ist es auch.
Was ich so tief einatmen nenne ist mehr so ein Flohpups. Und mit nem Flohpups-Lungenvolumen schmetterste keine Arien. Besprichst Du auch keine Hörbücher. Damit beschränkst Du dich auf das Nötigste. Auf "Ja" und "Nein". Zum Beispiel.
Geht aber nur, wenn zuvor eine passende Frage gestellt wurde.
Sonst machen die beiden Worte keinen Sinn. Ist also mehr gefragt, heißt es erstmal tief Flohpupsen. Und dann erzähle ich, was es zu sagen gibt. Oder frage meine Frage, bitte meine Bitte.
Dabei beschränke ich mich auf das Wesentliche. Was oft Raum für Interpretation lässt. Und Thompson die Braue in die Höhe treibt. Meist die linke.
"Kannst du bitte da mal ziehen?" "Wo Schatz? Am Kopf, Arm, Bein, Hose, Ärmel, Nase?" "Hier." Finger tippt auf die gewünschte Stelle. "Ah."
Die Schnappatmung hat aber auch zur Folge, dass mein Gegenüber auch mal zu Wort kommt. Findet derjenige vielleicht auch ganz angenehm. Ich bin zum Zuhörer mutiert. Und das kann ich immer besser.
Ich bin zu einer geworden, die sich vieles denkt zu dem was sie hört, aber wenig dazu sagt. Vor allem in größerer Runde ist es mir schlichtweg zu anstrengend. Laut genug und klar genug zu sprechen, damit man mich im Stimmengewirr noch versteht... Unmöglich.
Mein Wortwitz findet nun im Kopf statt. Da habe ich noch immer auf alles ne Antwort. 😉
Beim Essen bin ich erst recht still. Da hängt mein Leben schon fast davon ab, dass ich kaue und schlucke. Sprechen, kauen und schlucken führt zu Verschlucken. Flohpupse reichen aber nicht um ein falsch gelandetes Lebensmittel wieder hervor zu husten. So kämpfe ich gegen den Erstickungstod. Bisher mit Erfolg, wie ihr seht. Sowas braucht man aber nicht allzu oft. Weder als Betroffener, noch als Umfeld.
Also: Essen und Klappe halten. Auch wenn es schwer fällt.
Sitzt man in illustrer Runde beim Essen führt das schon mal zu Stillstand des Gesprächs. Denn eine an mich gestellte Frage wird halt erst nach dem Leeren der Kauleiste beantwortet.
Ich hör dann während des Kauens eine Pausenmelodie in meinem Kopf, unterbrochen durch den Satz "Ihre Wartezeit beträgt noch ... Minuten. Bitte bleiben Sie in der Leitung. Ihr Gesprächspartner ist gleich für Sie da." Schade, dass dies mein Gegenüber nicht hört. Mit netter Mucke fällt das Warten leichter.
So schaue ich kauend in sein/ihr erwartungsvolles Gesicht, versuche, die Frage nicht zu vergessen und... kaue.
Dann, wenn er/sie nicht mehr damit rechnet, kommt meine Antwort. Kurz gefasst. Aber immerhin.
Plaudern 1Punkt0.
Eignet sich nur nicht so gut für Diskussionen.
Man kann nicht alles haben.
Diskutieren kann ich mir komplett klemmen. Denn wenn mein Gemüt von "chill" auf "thrill" wechselt, brauche ich auf eines nicht mehr zählen. Meine Stimme. Die kippt synchron mit meiner Laune.
Dann kann ich nur noch mit brechender Stimmlage und weinerlichem Ton undeutlich Worte von mir geben. Was impliziert, dass ich den Tränen nahe bin. Was überhaupt nicht stimmt und mich dann auch noch wütend macht. Wenn ich es nicht schon war.
Oder meine Zunge entwickelt ein Eigenleben und lässt mich nuscheln. War letztes Silvester nett. Ich hatte ein Glas Sekt in der Hand als wir draußen waren um mit den Nachbarn anzustoßen. Der einzige Alkohol des Abends. Hörte mich aber an nach 2 Flaschen. Ex. Tja.
Und das mir! Ich, die auf alles eine schlagfertige Antwort hatte. Die das letzte Wort ihres nannte, die aus kleinen Stichworten Theaterstücke lamentieren konnte, die die Diskussion erfunden hat... Verdammt zum Klappe halten. 🤐
Gestern fuhren Thompson und ich vom Kino nach Hause. (Bohemian Rhapsody, sehr zu empfehlen!).
Im Radio ging es um St. Martin und dass in den Niederlanden die Süßigkeiten "snoepjes" oder so heißen. Mir fiel dazu ein, dass wir als Kinder immer "Schnuppzeug" dazu gesagt hatten und ich fand, dass es dem niederländischen Begriff sehr nahe kam.
Hätte ich ihm gerne erzählt. Aber ich war mit Rolli in der Mitte des Wagens angeschnallt. Er saß am Steuer. Das Radio lief.
Kurz überlegt. Mich dagegen entschieden...Und weiter aus dem Fenster geschaut. Nur ein Beispiel von vielen.
Aber die Welt hat sich weitergedreht. Wer hätte das gedacht.
Ich habe mich den neuen Gegebenheiten angepasst. Es ist einfach angenehmer, Zuschauer und Zuhörer zu sein. Weniger anstrengend.
Und so wie ich gelernt habe, dass ich viel weniger aufs Klo rennen muss als ich dachte, so habe ich nun auch erfahren dürfen, dass viele Dinge auch unkommentiert bleiben können.
Wer weiß, wieviele Fettnäpchen und Schlipse das schon gerettet hat. 😇
Und Schreiben geht ja Gott sei Dank noch.
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