"Du, ich feiere meinen Geburtstag. Leider wohne ich im 1. OG, aber das kriegen wir schon hin, oder?
Ja, und die Toilette ist vielleicht was eng. Aber vielleicht klappt das irgendwie?"
"Wenn ihr mal eine schöne Stadt sehen wollt, fahrt mal nach... Gut, da ist ne Menge Kopfsteinpflaster, aber vielleicht geht das ja trotzdem? Mit Toiletten weiß ich nicht, aber da sind bestimmt welche."
"Wir könnten doch mal schwimmen gehen. Das würde dir bestimmt gut tun."
"Wollen wir nicht mal ein Wochenende ans Meer? Vielleicht finden wir ja eine ebenerdige Wohnung mit einem großen Bad."
Tolle Angebote, die eines gemeinsam haben. Ich denke bei jedem: "Nee, lass ma."
Und dass gar nicht, weil ich keine Lust habe, mit lieben Menschen zu feiern, schöne Städte zu besuchen, mich im Wasser zu bewegen (das könnte mir sicher gut tun) oder Meeresrauschen zu genießen. Grade das Letzte ist meine Passion.
Ich liebe das Meer, vor allem die raue Nordsee mit ihrem Wind und den Wellen. Ich liebe die Luft und den Blick zum Horizont.
Aber all das bedingt eine Menge Vorbereitung und Anstrengung. Und es ermüdet mich allein der Gedanke daran. Ich bleibe dann lieber in meiner vertrauten Umgebung, die all die Hilfsmittel beherbergt, die ich benötige.
Vorbei sind die Zeiten, wo ich einfach ins Auto steige, am Ziel aussteige, diverse Stockwerke über Treppen erklimme, aufs Klo gehe, wenn ich muss, eine Umkleidekabine ihrem Sinn entsprechend benutze und in fremden Betten nicht schlafen kann, weil mir mein Kopfkissen fehlt. (DAS ist der Oberhammer! Ich habe tatsächlich mein Kopfkissen im Gepäck gehabt. Unfassbar aus heutiger Sicht.)
Heute fängt ein Ausflug schon mit der Überlegung an, welcher Rolli es sein soll.
Nehme ich den Kleinen und das Zuggerät? Er kann bei Bedarf gut ein paar Stufen gehoben werden, das Zuggerät bringt mich ohne fremde Hilfe voran. Er passt überall rein. Auch in enge Aufzüge.
Aber in ihm sitze ich so, wie ich sitze. Drückt es nach einiger Zeit am Poppes, ist das so und lässt sich nicht ändern. Weder Rücken noch Fußteil lassen sich irgendwie verstellen um so eine Entlastung zu schaffen.
Panzer hingegen ist komplett verstellbar. Rücken, Sitz, Fuß alles neigbar. Er kann in Liege-, Steh-, Sitz-, Relaxposition gefahren werden, die alle voreingestellte Parameter haben und sich per Knopfdruck abrufen lassen.
In ihm sitze ich wie im Sessel, komme mit 6 km/h völlig ausreichend schnell für Fußgänger voran und er überbrückt, wenn auch holpernd, Kopfsteinpflaster oder andere Unebenheiten, ohne daran hängen zu bleiben und mich raus zu katapultieren.
Aber er ist schwer, über 150 KG, wenn ich drin sitze. Den hebt man nicht mal eben eine Stufe hoch. Und er ist breit. Nicht jeder Aufzug ist für seine Maße gemacht. In Lokalen schafft er es nicht immer, zwischen die Tische zu fahren. Und, sollte dies gelungen sein, ist seine Sitzhöhe leider meist zu hoch für die Tische, sodass ich nicht darunter komme und meinen Teller einen halben Meter vor mir stehend wiederfinde. Vorbeugen? Keine Rumpfstabi. Wer mich mit dem Gesicht im Essen findet, darf mich behalten. Aber vielleicht ist der Teller ja noch weit genug weg gewesen.
Bei Übernachtungen kommt hinzu, dass es eben nicht reicht, ein großes Bad zu haben. Es muss auch ein Klo geben, dessen Schüssel eben nicht kurz über dem Boden schwebt. Gut, dafür gibt es WC-Sitzerhöhungen, die man aufschrauben kann. Habe ich natürlich. Aber dann muss das Monstrum, das eben eindeutig nach Klobrille, GROSSER Klobrille, ausschaut, irgendwie ins Hotelzimmer. Was soll's. Leg ich mir den Sitz eben auf den Schoß wenn wir ins Hotel fahren. Man wird schmerzfrei mit der Zeit. Wahlweise gehüllt in einen Müllsack. Hoffentlich denkt niemand ich habe eine zerstückelte Leiche dabei.
Frage: Warum hat ein Hotel nicht wenigstens eine WC-Sitzerhöhung vorrätig? Fragt mal nach wenn Ihr eines besucht. Wenn Ihr euch traut.
Passen Badgröße und Klohöhe, fehlen gerne die Haltegriffe. Manchmal nur an einer, manchmal auch an beiden Seiten.
Dann kann ich mich nicht festhalten und kippe vom Thron. So schmerzfrei, dass ich das stille Örtchen zum Joint Adventure mache, indem ich meine Begleitung bitte, mich während der Verrichtung fest zu halten, bin ich (noch?) nicht.
(Gleiches Problem bei Besuchen. Ist das Bad erreichbar und groß, heißt das noch nicht, dass ich auch das Klo benutzen kann.)
Das Bett ist nie verstellbar. Verstellbare Betten sind "Pflegebetten". Die hatte bisher noch kein Hotel, bei dem ich nachgefragt habe. Ich brauche aber eines. Ich kann mich nicht alleine drehen.
So legt meine Begleitung, in der Regel der liebe Thompson mich abends parat. Auf die Seite, Kissen zwischen die Knie, alles zurecht zupfen. Gute Nacht. So liege ich, bis ich wach werde und mich gerne drehen würde. Geht nicht alleine.
Also, Thompson ist gefragt. Er steht auf, dreht mich auf den Rücken, zupft Beine, Füße und Decke zurecht und legt sich wieder hin. In meinem Bett kann ich nun Kopf- und Fußteil verstellen. So liege ich sehr bequem und schlafe weiter.
In einem Hotelbett liege ich wie ein Brett. Flach auf dem Rücken, der sich nach wenigen Minuten meldet, weil er die Streckung nur semi-lustig findet.
Und was dann? Deckenburgen für die Beine bauen? Möglich, aber was für ein Aufwand.
So heißt es vor jedem Ausflug auszuloten, was mich dort erwartet. Und mich dem anzupassen.
Und dazu fehlt mir einfach die Lust.
Was für ein Traum, sowas in einem Hotel zu finden!
Ich bin super zufrieden in meinen tollen 4 Wänden, dem schönen Garten und mit der Gesellschaft meiner zwei- und vierbeinigen Gefährten.
Bad passt, Bett passt, Rollis werden der Situation entsprechend gewählt.
Die Hunderunden sind abwechslungsreich, gerne fahren wir in die Umgebung, oder ich werde gefahren und auch wieder abgeholt.
Wenn ich dann im Grünen mit Cindy und Winston unterwegs bin, ist das Erholung pur für mich. Ohne großen Aufwand.
Mir fehlt da nichts. Wären die Umstände leichter, wäre ich sicher öfter bereit, diese Komfort-Zone zu verlassen.
So leider nicht.
Ich bin keine von denen, die jetzt, wo es scheinbar dem Ende zugeht, nochmal schnell ihre Bucket-List auspackt und abarbeitet. Kann daran liegen, dass ich nie eine hatte. Es gibt tatsächlich Menschen, die nicht jedes Abenteuer bestehen müssen um sich lebendig zu fühlen. Ich bin einer davon. Ich muss auch nicht an jedem Ort der Welt gewesen sein. Reiseberichte reichen mir da meist völlig aus.
Ich bewundere solche Menschen auch nicht. Warum auch? Es ist ihre Art, ihr Leben zu leben. Sie brauchen scheinbar die Herausforderungen und die damit verbundenen Anstrengungen. Und die meist darauf folgende Erschöpfung. Wenn sie dann das, was sie erleben, entsprechend genießen, ist doch alles prima. Wenn sie es nur um des Abarbeitens willens tun, selber schuld.
Bei mir wäre der Genuß auf Grund der Anstrengung gleich Null. Ich bin zufrieden, mit dem was ist. Kann mich zurück lehnen und muss mir nichts beweisen.
Nicht, dass noch Fallschirm-springen geht, dass Tauchen auch in meiner Situation klappt, Rafting kein Problem ist, und ich mich mit nem Rad den Jakobsweg entlang fahren lassen kann. (Da hat wahrscheinlich der Radler erst recht keine Lust drauf, würde es aber nie zugeben, is ja schließlich für nen guten Zweck.)
Nichts von dem reizt mich.
Und das ist gut so.
Wenn ihr mal Lust auf Entschleunigung habt, kommt gerne rum. Und wenn ihr ein Pflegebett mit Toilettensitzerhöhung an der Nordsee aufgetan habt, sagt Bescheid! 😉
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Frank Reineke (Donnerstag, 06 September 2018 09:53)
Hallo,
ich heiße Frank (43 Jahre) und bin seit meinem 22 Lebensjahr durch einen Unfall ab dem Hals querschnittgelähmt . Ich habe bereits in Neßmersiel an der Ostsee Urlaub gemacht, über Rollstuhlurlaub.de findet man dort zwei Unterkünfte mit Pflegebetten (Ferienhäuser) im Deichschlösschen ist die Toilette bereits extrem hoch, in beide Unterkünfte kann man aber diskret div. Hilfsmittel mitnehmen, Platz ist genug vorhanden.
Ansonsten finde ich mich in Ihren Beschreibungen der Urlaubs, bzw. Lebensgestalltung voll wieder. Ich habe es auch lieber im vertrauten Umfeld sicher und bequem (sofern möglich)
Liebe Grüße
Frank
Die mit dem Hund rollt (Donnerstag, 06 September 2018 10:00)
Lieben Dank für den Tipp, Frank!
Ich habe nun über Behindertenreise.de eine Unterkunft an der Ostsee gefunden.
Bin gespannt!
Sabine Finken (Donnerstag, 06 September 2018 12:07)
liebe Michaela, ich war mal auf Norderney in der Caritas Insel Oase, da gibt es Pflegebetten, Toilettensitz-Erhöhung UND Nordsee, war sehr nett, und Norderney ist auch sehr barrierefrei. VG, Sabine
Die mit dem Hund rollt (Donnerstag, 06 September 2018 12:45)
Noch ein guter Tipp!
Dankeschön!