Ich muss draußen bleiben?!

Es ist schon zu schöner Tradition geworden.

Meist im Sommer und im Winter ruft Thompsons ehemaliger Chef zum Meeting.

Das hat wenig Geschäftliches, sondern einen hohen Spaßfaktor.

So waren wir in den vergangenen Jahren mal zur Weihnachtszeit kochen. In zwei verschiedenen Eventgastronomien wurden wir angeleitet, leckerste Menus zu zaubern.

Der Koch, der uns jeweils dabei unterstützte, verfügte zum einen über ausreichend Wissen, wann welcher Gang wie zubereitet werden muss, als auch darüber, wie man einen Hühnerhaufen in Köche verwandelt.

Beides haben sie mit Bravour gemeistert. Und es war super lecker und hat sehr viel Spaß gemacht!

Dann waren wir einmal im Apres-Ski-Stadl, ein anderes Mal haben wir eine Rheinschifffahrt gemacht.

Oder wir haben uns in einer grandiosen Tapas-Bar die Bäuche vollgeschlagen.

Ausgeklungen sind solche Abende immer bei Cocktails, Bier und Wein, fröhlichen Gesprächen und einem gemütlichen Beisammensein.

Sogar eine Übernachtung wurde uns gestellt, sodass wir uns am nächsten Morgen mal mehr, mal weniger verkatert zum Frühstück trafen und dann wieder Heim fuhren.

Das war letztes Jahr zur Weihnachtszeit Geschichte. Und es war keine Weihnachtsgeschichte.

Warum?

Weil das Hotel, das ausgesucht worden war, nicht rollstuhlgerecht war. Und ich mittlerweile fest darauf angewiesen bin.

Es gab kein Bad mit Griffen am WC, was die Mindestvoraussetzung ist, damit ich mich dort wenigstens ansatzweise unterstützen kann. Natürlich auch, dass es groß genug ist, um überhaupt erstmal ins Bad zu passen. Es reicht nicht, dass es ebenerdig ist. Leider nicht.

 

So haben wir schweren Herzens abgesagt und die Feier fand ohne uns statt. 

Letztes Wochenende kam dann seine Einladung zum Sommerfest:

"...Wir möchten "... "in der Grillhütte im Clostermannshof "..."  "und versuchen für das 20:00 Uhr Spiel (Deutschland-Schweden) noch einen Fernseher zu besorgen. Das Hotel verfügt über ein nicht 100% behindertengerechtes Zimmer und die Grillhütte hat keine Standardtür für den Rolli..."

 

Oh toll!

Er hatte diesmal ein Hotel ausgesucht, dass über eine Grillhütte verfügt. Dort kann man... jaaa...grillen.

Gemeinsam essen, zusammen sein. Er will sogar noch einen Fernseher besorgen, weil an dem geplanten Abend ein WM-Spiel mit deutscher Beteiligung stattfindet. Hört sich doch super an!

 

Tja, dann zum Rest des Textes.

Das "nicht 100% behindertengerechte Zimmer" entpuppte sich auf meine telefonische Nachfrage hin als 100% nicht behindertengerecht. Sie haben kein Zimmer, in dem ein Rollifahrer genug Platz und Hilfsmittel hat um dort übernachten zu können.

Sie haben noch nicht mal IRGENDWO in ihrem Hotel eine behindertengerechte Toilette! Nix! Da war es schon unerheblich, ob es ins Hotel oder in die Grillhütte über Stufen geht. Die Dame am Telefon meinte, die Grillhütte sei ebenerdig.

Na prima. Aufs Klo muss ich ja nicht, vom frisch machen mal ganz abgesehen.

Leute, wo leben wir eigentlich?

Muss ich nun ein weiteres Mal meine Teilnahme absagen?

Weil die Gegebenheiten nicht passen?

 

Ich gestehe.

Meine erste Reaktion war Wut.

Auf den Gastgeber.

 

Warum sucht der nicht ein Hotel aus, wo ich auch übernachten kann?

Muss es unbedingt eins sein, dass keine Möglichkeiten für mich bereit hält?

Macht er sich so wenig Gedanken?

Könnte er sich nicht etwas mehr bemühen?

 

Auf den zweiten, sachlichen Blick stellte sich die Lage schon anders dar.

Warum gibt es immer noch Plätze die Behinderte außen vor lassen?

Und da spreche ich nicht nur von Rollifahrern. Auch Blinde, Gehörlose, etc. bleiben oft draußen.

Und daraus entsteht mein Wunsch nach Solidarität.

Wer sagt den "Gesunden" denn, dass sie es morgen auch noch sind? Dass sie nicht in einer Stunde zu einem hilfebedürftigen Menschen werden?

Wäre es da nicht im Sinne aller, sich miteinander zu solidarisieren und sich z.B. auch als Gehender nach Behindertentoiletten zu erkundigen und sogar soweit zu gegen, ein Fehlen zu kritisieren?

Bei einem Museumsbesuch zu fragen, wie die Bilder Blinden näher gebracht werden.

Einen Konzertveranstalter auf die Möglichkeit eines Dolmetschers für Gehörlose Menschen hinzuweisen.

Die gibt es sogar für Rockkonzerte.

Hätten wir davon nicht alle was?

Der kleinste Nenner ist doch, dass alle teilhaben können. Und nicht einige draußen bleiben müssen.

 

 

"Wie" und "Woher" soll man denn wissen, was ein Behinderter braucht?

 

Richtig. Ich weiß auch nicht, wie ein Blinder oder Gehörloser unterstützt werden kann. Was er benötigt um teilhaben zu können. Und was ein Rollifahrer benötigt, weiß ich auch nur aus meiner Sicht.

 

Da wäre es ja schon recht sinnvoll, diese Menschen mit an den Tisch zu holen wenn es um die Planung von Gebäuden, Veranstaltungen, Freizeitangeboten geht. Oder?

Denn dann kann aus erster Hand erfahren werden, was funktioniert und was nicht. Die Betroffenen wissen doch am besten, wie sie unterstützt werden können. Dann würden auch so gut gemeinte Angebote unterlassen werden, wie ein Handgriff an der Wand neben dem Klo, den vielleicht ein Gesunder erreichen kann, der einem Gehbehinderten aber ma so gar nicht hilft.

Tja, und wie geht's nun für uns weiter?

Ich habe in der Umgebung des Hotels nach anderen Hotels gesucht und bin auf eines (!!!) gestoßen. Es ist 8 km entfernt. Hm. Dort habe ich angerufen und drum gebeten dass man mir Fotos des Zimmers und des Badezimmers schickt, das mir als Rollstuhlgerecht angepriesen wurde.

Die sind bisher noch nicht angekommen. Also werde ich wohl nochmal nachfragen.

 

Sollte es passen, bedeutet das, dass wir zwar beim Grillen und Treffen dabei sein können, was ja schonmal schön ist, dann aber 8km in unser Hotel fahren müssen und so auch kein morgendliches Treffen mehr stattfinden kann.

Das Klo-Problem hat sich aber selbst dann noch nicht gelöst. 

 

Alles in allem sehr unbefriedigend und es vermiest mir ganz schön die Vorfreude.

 

Darum: Macht mich wieder froh und geht mit offenen Augen durch die Welt! Sprecht die Leute an, gebt Impulse und helft allen, Inklusion zu leben.

Am Ende des Tages vielleicht sogar euch selbst. Und sei es nur, weil Ihr dazu beigetragen habt, dass Eure/Euer Freund/in mit am Tisch sitzen kann. Und nicht draußen bleiben muss.

 

Danke dafür!




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