Immer mal, nicht oft, höre ich Radio.
Normalerweise ist es so:
Wenn man zu mir nach Hause kommt, wird man eigentlich von Stille umfangen, jedenfalls, nachdem Cindy aufgehört hat, dem Besucher bellend mitzuteilen, was sie von dessen Belästigung hält.
Das mag daran liegen, dass ich scheinbar keine der Multitasking-Frauen bin, um die sich wahre Legenden ranken. Ich kann nicht telefonieren und kochen (also, jetzt sowieso nicht mehr, jetzt bin ich mit dem Halten des Telefons manchmal schon nahezu überfordert, das ist aber ne andere Baustelle ;-)).
Ich kann mich nur auf eine Sache konzentrieren.
Wobei ich denke, dass es jedem Menschen so geht, zumindest wenn er den Anspruch hat, etwas anständig zu machen. Mache ich zwei oder mehr Dinge auf einmal leiden die Ergebnisse.
Das habe ich vor wenigen Tagen noch live erlebt, als ich erzählend Rechnungen geschrieben und gebucht habe.
...lassen wir das...
So ist es also still bei mir zu Hause. Denn wenn ich Radio höre oder gar fernsehe, kann ich nicht auch noch lesen oder schreiben, mich unterhalten... die Hintergrundbeschallung geht mir dann irgendwann auf die Nerven und wird ausgeschaltet.
Ich schweife ab.
Zurück zum Thema. Heute morgen habe ich also Radio gehört, mittlerweile bin ich bei WDR 2 gelandet, auch Eins Live geht mir auf die Nerven. Es ist also soweit, ich werde alt (wenn man Sohni glaubt jedenfalls, dessen Reaktion dies in etwa ausdrückt, wenn ich ihn im Auto bitte, den Sender zu wechseln).
Es gab ein Interview das ich verfolgte und in dessen Verlauf der oben genannte Satz fiel. Es war wohl ein Zitat einer Sklavin. Leider finde ich dazu im Netz nichts. Und da ich vor diesem Satz auch nicht richtig aufgepasst hatte, sondern mehr so tag-träumend zugehört hatte, war mir auch kein Name geläufig. Was drauf schließen lässt, dass ich manchmal noch nicht mal EINE Sache anständig schaffe. ;-)
Wach wurde ich dann aber und auch sehr aufmerksam als ich den Satz hörte:
"Lieber bin ich schwerstkrank als unfrei."
Mein erster Impuls war: Ist man nicht als Kranke ebenfalls unfrei? Ich bin jedenfalls nicht frei, Dinge zu tun, die ich tun möchte, wenn ich keine Hilfe habe. Und manche kann ich auch mit Hilfe nicht.
Und der zweite Gedanke war: Kann man Unfreiheit und Krankheit überhaupt miteinander vergleichen, beziehungsweise in eine Relation setzen?
Und so hatte ich wieder was zu Grübeln. Na, Gott sei Dank!
Unfrei zu sein, bedeutet, fremdbestimmt zu sein. Die Dame, die es gesagt hat, war eine Sklavin. Sie war also zu einhundert Prozent fremdbestimmt. Eigenständiges Denken und Handeln wurde ihr abgesprochen, sogar verboten.
Diese Art des Lebens ist bestimmt sehr schwer zu ertragen, wird man doch als Person überhaupt nicht wahrgenommen, sondern wie eine Maschine behandelt, die so zu funktionieren hat, wie es der Besitzer wünscht. Bedürfnisse werden nicht beachtet und man ist nichts wert. Man hat zu gehorchen, tut man es nicht, wird man bestraft.
Dieses Leben gab es nicht nur zur Sklavenzeit, auch in der jüngeren Geschichte gibt es viele Beispiele von Unfreiheit, die Menschen gleichschalten sollte und den Einzelnen ignorierte.
Also, wirklich blöd läuft es für einen, wenn man unfrei UND krank ist. Sieht man die beiden Möglichkeiten aber getrennt, bin ich nun tatsächlich auch der Meinung, dass ich lieber krank bin als unfrei.
Ich habe die Freiheit meine Meinung zu äußern, dahin zu gehen wohin ich will, auch wenn ich dafür Unterstützung benötige. Aber durch die Freiheit in meinem Leben kann ich mich darum kümmern, sie zu bekommen. Sie wird mir nicht verwehrt.
Ich lebe ohne Angst vor Verfolgung oder vor Angriffen auf mein Leben. Ich muss keine Angst um meine Familie und Freunde haben. Ich kann mir meine Freunde aussuchen und Menschen, deren Meinung mir nicht gefällt, kann ich meiden, muss Ihnen nicht zustimmen, kann sie sogar mit meiner Meinung konfrontieren ohne Angst vor Strafen haben zu müssen.
Auch im Kleinen gibt es Unfreiheit.
Alle Menschen, die sich verbiegen müssen, nicht sie selbst sein dürfen, leben unfrei. Dies bedeutet einen ständigen psychischen Druck. Man ist ständig in Hab-Acht-Stellung, bereit in Deckung zu gehen und kann sich nicht entspannen.
Ich denke, auch das kann zu Krankheit führen. Und dann hat man wieder beides. :-/
Aber schwerstkrank?
Hm. Vielleicht so ein bisschen, nicht ganz so dolle bitte.
Aber wer definiert es?
Reicht Männerschnupfen schon? Oder werden hier die dicken Geschütze aufgefahren? Krebs und Co.? So krank, dass man bald den Löffel abgibt?
Ich denke, das ist völlig wurscht. Denn das Leben dieser Frau war nicht lebenswert. Sie war scheinbar gesund, litt aber unter ständigem Druck und Angst. Sie hätte auch sagen können, sie sei lieber tot als unfrei. Und das ist es wohl, worauf es hinausläuft. Es ist alles schlimmer als nicht sein eigener Herr sein zu dürfen, ducken zu müssen, Angst vor Repressalien und Strafen haben zu müssen.
Klar, man kann auch so krank sein, dass man nicht mehr leben möchte. Aber man ist frei darin, zu entscheiden, wie man behandelt werden möchte, man darf die Grenze ziehen und in manchen Ländern sogar seinem Leben ein Ende bereiten. Man ist in der Art und Weise seiner Behandlung frei und darf selber bestimmen, wenn man klug ist, früh genug, per Patientenverfügung.
Also, ja, tatsächlich:
Lieber bin ich schwerstkrank als unfrei.
Danke, WDR 2, für diese Denkaufgabe.
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