"Wenn die Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln, wenn sie groß sind, gib ihnen Flügel"
Ein einfacher Satz, alles ist gesagt.
Die Umsetzung ist nicht immer ganz so einfach. Denn das "Flügel-geben" fängt ja nicht erst an, wenn sie groß sind. Es ist ein Wurzel-Geflügel-Salat ab dem Moment, ab dem sie geschlüpft sind.
Ich erinnere mich sehr genau, an die ersten Versuche von Klein-Jackson und später auch Klein-Pascallo, selber zu krabbeln, sich aufzurichten, hochzuziehen, selber zu stehen, zu gehen und irgendwann zu klettern und dies immer höher und immer waghalsiger.
Da nicht jedes Mal aufzuschreien und die Nerven zu behalten ist nicht die leichteste Übung, die ich absolvieren durfte. Hohe Rutschen, wo ich sie schon fast beim Hinsetzen wieder hintenüber rückwärts runtersegeln sah, Klettergerüste, und auch mal ein Fehltritt, der aber Gott sei Dank nie was Schlimmeres als eine Schramme und auch mal eine etwas größere Wunde nach sich gezogen hat, wurden von mir begleitet, immer in dem Versuch, die Balance zwischen Aufsicht und Freiheit zu halten.
Und sie nicht mit meiner Angst zu verunsichern. Auch wenn mir gerne mal der Atem stockte und das Herz stehen blieb.
Und meistens ist es gut gegangen.
Was allerdings Fakt ist, ist, dass die Flügel mit steigendem Alter immer größer werden. Der Radius wird ebenso größer und die Möglichkeit des Beschützens verringert sich proportional dazu. Genauso wie die Bereitschaft, Muttis Rat anzunehmen. Man weiß es schon irgendwie besser und verdreht auch gerne mal die Augen.
Auch damit lernte ich zu leben, auch wenn ich meinen ungefragten Rat immer noch loswerde. Könnt ja sein, dass er gehört, oder gar befolgt wird! ;-)
Aber, wollen wir mal ehrlich sein, der Einfluss schwindet. Und da bewahrheitet sich die Sache mit den Wurzeln. Wenn ich gute Arbeit geleistet habe, steht die Brut fest auf dem Boden und kann sich aus dieser komfortablen Lage emporschwingen. Positiv ihr Leben gestalten.
Und das machen meine beiden.
Das Loslassen macht es nicht einfacher, denn es sind immer wieder viele Abschiede. Aber sie gehören dazu und es macht mich sehr stolz, zu sehen, was sie alles hinbekommen.
Trotzdem. Ich mache mir natürlich Sorgen, und denke auch, dass es einfach dazu gehört, Angst um die Brut zu haben. Auch wenn ich positiv eingestellt bin und immer davon ausgehe, dass es schon gut gehen wird. Tat es bisher auch immer.
Nun heißt es, mein Töchterchen wieder ziehen zu lassen. In die große weite Welt hinaus. Eine ziemlich weit-wegge-weite Welt.
Es wird für sie nach Südkorea gehen, wo sie ein Auslandssemester absolvieren wird. Puhuhuhuuu...
Ich sehe mich den hochgezogenen Augenbrauen gegenüber stehen. Höre die Fragen, warum ausgerechnet Südkorea.
Und Jackson meinte darauf, man müsse sich einmal eine gute Antwort auf diese Frage überlegen und dann ginge es schon.
Heute ist ihre Abschiedsfeier, die sie mit ihren Freunden bei uns verbringen wird.
Und Dienstag geht es dann los.
Pascal wird ihr bald folgen, wenn auch nicht so weit weg, so doch auch in ein eigenes Leben. Als Offiziersanwärter wird er in der Nähe von München seine Ausbildung beginnen.
Ich gehe davon aus, dass alle beide weiterhin ein wundervolles Leben haben werden. Voller Eindrücke, Lehren, Spaß, Freunden, Erfahrungen und mit dem Wissen, dass der Blumentopf mit den Wurzeln nach wie vor zu Hause steht und weiter von uns gepflegt wird. Gegossen und gedüngt.
Sie werden ihren Weg gehen und ich freue mich darüber. Vermissen werde ich sie dennoch, denn das gehört leider auch dazu. Dass man sich ein halbes Jahr nicht sieht ist echt schlimm, wenn man es im Voraus schon weiß. Wird es durch äußere Umstände erschwert, sich zu sehen, weil z.B. durch Klausurphasen keine Zeit ist, nach Hause zu kommen, so ist das was ganz anderes, denn dahinter ist der Gedanke, dass man sich ja jederzeit sehen KÖNNTE. Das geht in Korea nun mal eben nicht ganz so easy.
Jackson war die letzten Tage zu Hause und wir haben die Zeit so intensiv wie möglich genutzt, ohne uns auf die Nerven zu gehen. Und wenn dann Dienstag kommt, werde ich ihr von Herzen eine tolle Zeit wünschen.
Mache ich mir besonders große Sorgen, weil es Südkorea ist?
Nein. Denn aus den aktuellen Geschehnissen haben wir alle lernen müssen, dass auch Europa kein ungefährliches Pflaster ist.
Ich bin Fatalist und denke, wenn einem Menschen ein Unglück widerfahren soll, dann wird es ihm widerfahren. Und wenn er sich zu Hause die Bettdecke über den Kopf zieht.
Dann stürzt halt das Dach ein.
Und genauso sicher bin ich, dass eine gute Macht über meine Kinder wacht und es ihnen gut gehen wird, egal wo auf der Welt sie sich befinden.
Et hätt noch immer alles joot jejange!
Hab euch lieb!
Spannt Eure Flügel auf und los geht's!
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