Schlafbremsen zeichnen sich dadurch aus, dass sie, entgegen des vermeintlichen Sinn ihres Namens, den Schlaf eben nicht bremsen, sondern eher fördern. Sie befanden sich an den Rädern meines nagelneuen Rollstuhls. Auch hier, sollte jemand meinen, sie hätten meinen Schlaf gefördert, muss ich denjenigen enttäuschen. Haben sie nicht. Aber den meines geliebten Gatten. Und das wiegt gleich schwer. Er zeichnet auch für die Wortschöpfung verantwortlich.
Und da ist nun eine von ihnen. Eingefangen von oben. Äh... das ist Küchenrolle... stimmt. Und was macht die an den Rolli-Reifen? Sie hilft den Bremsen, zu tun wofür sie erschaffen wurden. Und meinem Mann zu schlafen. Win-win-Situation.
Und warum brauchst du die?
Ja... weil...
Spulen wir mal ein paar Stunden zurück. Ich war selig mit meinem Rolli. Am Nachmittag des Vortages nahm sich Pascal die Zeit, den neuen Kompressor auszuprobieren, den ich extra angeschafft hatte, um meine nun nicht mehr aus Vollgummi bestehenden Reifen unter Druck zu setzen. Erlaubt ist ein Druck zwischen 6 und 10 Bar. Wir wollten es nicht übertreiben und haben uns auf 9,5 Bar geeinigt. Pascal schmiss den Kompressor an und nachdem wir uns vom Hörsturz erholt hatten, freuten wir uns an seinem Röhren, das die Reifen prall werden ließ.
Als Thompson dann heimkam, sind wir beide zum ersten Ausflug mit dem neuen Rolli aufgebrochen. Der wöchentliche Einkauf stand an. War der alte Rolli in der Mitte faltbar, ging das mit dem nun nicht mehr. Bei ihm mussten die Räder abgenommen werden, dann konnte man das Gestell auf die Rückbank "setzen". Da nahm er schon was mehr Platz weg als der alte, aber es ist ja nicht mehr lange, dann kommt mein VW Bus. Da isses dann egal. Was auch anders ist, ist das Einsteigen. Es ist zwar schön, einen kleinen, kompakten Rolli zu haben, aber das bedeutet auch, dass ich weniger Sitzfläche habe, auf die ich mich abstützen kann, wenn ich rüberwechseln möchte. Hinzu kommt auch, dass die Fußrasten starr sind. So kann ich sie nicht mehr wegklappen um meine Füße dazwischen auf den Boden zu stellen. Die müssen nun weiter vorne hin, was aber meinen Schwerpunkt verändert. Ein Rüberheben vom Rolli auf den Beifahrersitz und zurück war eh schon immer diffizil, jetzt ist es unmöglich. Gott sei Dank habe ich vorgebeugt und mir ein sogenanntes Rutschbrett verordnen lassen. Das hilft mir nun, die Schlucht zwischen den Sitzen zu überbrücken. Dauert aber auch alles länger. Erst muss es unter meinen Poppes geschoben werden, dann auf die andere Seite auf den Sitz gelegt werden, wo ich gerne unfallfrei ankommen möchte und dann heißt es rüberrutschen ohne das Brett mitzunehmen und so samt ihm abzustürzen. Ich glaube aber, wenn ich den Dreh raus habe, geht auch das was zügiger.
Es gab also viel Neues zu händeln, klappte aber alles. Was mich total begeisterte, war, dass ich mit dem neuen Rolli durch die Gänge glitt. Ich musste nicht wie sonst ständig die Räder antreiben. Einmal angeschoben rollte ich meterweit. Das spart natürlich jede Menge Kraft. Außerdem war ich dadurch auch viel schneller. Es war viel weniger anstrengend als sonst neben Thompson her zu fahren. Klasse. Wir erledigten unsere Einkäufe, ich rutschte wieder ins Auto und heim gings. Noch alles eingeräumt und dann war auch für meinen Liebsten Wochenende.
Wir haben uns Amazon Prime mit dem Fire-TV-Stick gegönnt, sodass wir nun eigentlich kaum noch das "normale" Fernsehprogramm ansehen (müssen), sondern uns das anschauen, was uns auch gefällt. Aktuell ist das "The man in the high castle". Eine Serie, die mit dem Gedanken spielt, was gewesen wäre, wenn die Deutschen den zweiten Weltkrieg gewonnen hätten. Ich kann euch sagen: Gott sei Dank haben sie es nicht!
Is jetzt so unser abendliches Programm, den Protagonisten in den Horror zu folgen. Aber nur für jeweils eine Folge pro Abend, reicht.
Jow, und da war et auch schon spät. Thompsons Woche hat es auch in sich, so drehte er langsam in Richtung Heia ab. Bevor ich ihm folgen konnte, kam noch Pascallo heim. So quatschten wir noch was und dann wollte auch ich mich aufmachen. Auch Couch-Rolli ist nun nicht mehr so einfach. Wenn ich mich hochwuchten möchte, hänge ich an den "Schutzblechen" fest, und komme nicht rüber. Mit Hilfe von Sohni habe ich dann eine Brücke aus einer Decke und meinem Rutschbrett gebaut. Ach, und dann sass ich ja schon, seufz. Das Leben ist manchmal schon wat anstrengend. Ich spare mir den Gedanken daran, wie ich ohne ihn rüber gekommen wäre. Oder auch nicht.
Ja, und da konnte es ja auch schon losgehen! "Bettchen, ich komme!", dachte ich so bei mir, als es einmal ohrenbetäubend knallte. Das war mein rechter Rollireifen. Der, der als unplattbar bekannt ist. Der, der nie platzt. Im späteren Verlauf stellte sich raus, dass ich mir wohl beim Einkaufen eine Scherbe eingefahren habe, die sich nach und nach in den Reifen hineingearbeitet haben muss. Wenn ich nur einmal soviel Glück im Lotto hätte...
Ja, und nun? Ein geplatzter Reifen hat erstmal innen gar keine so große Auswirkungen. Man knirscht was mehr wenn man lenkt und das Rollen ist naturgemäß auch nicht mehr so leicht, aber es geht. Was aber nicht mehr geht, ist, die Bremse anzuziehen. Es ist nämlich kein Reifen mehr da, gegen den sie drücken könnte. Und das ist richtig übel. Denn ohne Bremse rollt der Stuhl weg. Festhalten geht nicht, da man die Hände ja meist schon für andere Dinge benötigt. Und so hängt man ganz schön blöd rum.
Dank Handy und whats app holte ich Sohni wieder zurück an meine Seite und überlegte mit ihm zusammen, was nun zu tun sei. Wir entschieden, die anderen Räder, die ich noch vom E-Motion-Antrieb da hatte, an den Stuhl zu packen. Da dieser aber nicht für E-Motion umgebaut war, passten sie nicht so recht, rasteten auch nicht ein, aber hielten.
Sie sind pro Rad 9 kg schwer, also war auch hier nicht mehr von gleiten zu reden. Aber ich kam wieder von der Stelle. Muss reichen. Nur... Bremse hielt auch hier nicht. Wirklich, wirklich doof. Ohne die Bremsen anziehen zu können ist es unmöglich sich umzusetzen. Weder auf einen Stuhl, noch ins Bett und schon gar nicht aufs Klöchen. Und grade letzteres muss immer mal sein. Ich hätte echt im Strahl ko... können. Jut, bettfertig, wie der Lateiner sagt, war ich schon gewesen. Thompson schlief schon und das wollte ich nun auch nicht ändern. So bat ich Pascal den Stuhl zu halten, während ich in die Falle rutschte. Auf mein: "Mit mir wird es wenigstens nicht langweilig", konnte er nur bestätigend nicken.
Ich versuchte mir keine Sorgen zu machen, was wäre, wenn ich nun in der Nacht mal raus musste oder wie es morgen weitergehen sollte. Aber die kann man leider nicht so schnell ausschalten. So war ich mehr wach als schlafend für die erste Hälfte der Nacht. Und wenn man eh nicht pennt kann man ja auch direkt mal ausprobieren, wie fest der Ehemann schläft, wenn sich bei einem die Blase meldet. Habe ich dann auch. Und, Hut ab, er war sofort auf Betriebstemperatur. Das hat mich wirklich gewundert. Ich umriss kurz die Sachlage, nachdem ich ihn sanft angestupst hatte und dann hielt er den Stuhl bei allen Umsetzarbeiten. Das war klasse.
Zurück im Bett konnte ich dann auch schlafen. Wachte aber dennoch mit einem Höllenschädel auf. Die Pleiten der vergangenen Tage, erst mit dem E-Rolli und jetzt mit den Reifen waren dann auch für mich was viel. Ich war alle.
Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Dass sowas wie eine Bremse am Rolli oder ein Rad nicht funktioniert zeigte mir mit aller Deutlichkeit meine Hilflosigkeit auf. Wäre keine Hilfe vor Ort könnte ich noch nicht mal aus dem Bett heraus. Wisst ihr, was ich meine? Versagt eines der Hilfmittel, stehe ich nicht einfach auf, nein, ich bleibe hilflos liegen. Das zu erkennen haut mich dann doch mal etwas um.
Normalerweise mache ich alles was mit Aufstehen, Hunderunde, Füttern aller Wildtiere und so zu tun hat, alleine. Heute morgen musste ich Thompson wieder wecken, damit er mir den Rolli hielt. Er machte das ohne zu murren, aber ich weiß, wie sehr er das Wochenende zum Ausschlafen und Ausruhen braucht. Voll blöd.
Da er nun aber aufnahmefähiger war, als nachts um 4 (ach?), schaute er sich die Bremsen näher an und bemerkte, dass sie nicht, wie ich dachte, nicht hielten, weil die Räder zu dick waren um sie einrasten zu lassen, sondern, weil die Räder zu dünn waren, als dass die Bremsen hätten greifen können. Und so kamen kurzerhand die nun zum Patent angemeldeten Schlafbremsen zum Einsatz.
Bedeutete, dass ich die Küchenrolle dazwischen klemmte und die Räder hielten. Und: Thompson war nicht mehr als Bremse abbestellt und durfte nochmal ins Bettchen krabbeln. Darum Schlafbremse. ;-)
War zwar etwas aufwändig, aber es ging. So konnte ich meine Morgenrunde und alles andere auch ohne Hilfe erledigen.
Habe natürlich sofort meinen Sanimann angerufen. Es lief ein Band, dass heute geschlossen sei, sie sich aber im Notfall melden. War einer!
Also habe ich auf Band gequatscht und wenig später den Rückruf erhalten.
Es stellte sich heraus, dass mein Notfall nicht von jedem so gesehen wird. So auch nicht von der Krankenkasse, die für die Behebung eines Platten wohl nicht zahlt. Darum wollte der Monteur auch gar nicht erst rauskommen. Als ich aber die Kostenübernahme garantierte ließ er sich umstimmen.
Er holte den Plattfuß ab. Da er den Mantel, der ursprünglich drauf war nicht vorrätig hatte musste er umdisponieren. Der neue ist ein Schwalbe Marathon plus, der auch irgendwie robuster aussieht. Nun habe ich rechts nen schwarzen Reifen mit Profil und links einen grauen ohne.
Beim Fahrradhändler in der Nähe habe ich den schwarzen nochmal bestellt und auch noch einen Schlauch. Falls das alles nochmal passiert. So werde ich in einigen Tagen wieder gleich bereift durch die Welt gondeln. Aber die Bremsen funktionieren wieder! Und das ist alles was erst einmal zählt.
... und dass mein Schädel sich nach zwei Tabletten auch so langsam wieder beruhigt...
Das ist auch echt schön.
Ich habe grade gesehen, dass witzigerweise im Titelbild des vorherigen Beitrages genau die Reifen aufgezogen sind, die ich nun auch haben werde. Sollte wohl so sein...
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