Nosebook

Gestern habe ich ein Interview mit Maja Nowak gesehen. Auch sie hat den Titel "Hundeflüsterin", aber das heißt ja mittlerweile nix mehr. Dieser Begriff wird inflationär verwendet und wenn es sogar ein Tierquäler wie Cesar Milan schafft,  so genannt zu werden, kann man sich vorstellen, wie wenig wertvoll dieser Begriff ist.

Ich mag Maja sehr. Sie ruht in sich. Und sie ist von dem überzeugt, was sie sagt. Außerdem hat sie einen feinen Sinn für Humor. Sie kann augenzwinkernd ihre Meinung vertreten und Menschen anleiten. Außerdem hat sie die nötige Geduld, einen Menschen dort abzuholen, wo er steht und ihn mitzunehmen auf den Weg, mit seinem Hund zu arbeiten, bzw. ihn erst einmal zu verstehen.

Das Interview hat den Untertitel, was der Mensch vom Hund lernen kann.

Und so schlägt sie einen Bogen vom Sein des Hundes zu dem des Menschen. Und das hat mir sehr gut gefallen. Sie erklärt zum einen, dass z.B. Hunde im Hier und Jetzt leben, was aber nicht bedeutet, dass sie keine Vergangenheit oder Zukunft erleben. Und genau das ist es, was man auch einem Menschen wünschen kann.

Hier kommen mir meine Spaziergänge mit Cindy in den Sinn. Wie wir beide nebeneinander her kullern/trotten.

Cindy hat die meiste Zeit ihre Nase am Boden, erschnüffelt jeden Grashalm, bleibt stehen, nimmt den Geruch auch mit dem Mund auf, schaut wieder hoch und so weiter.

Wenn ich mit ihr spazieren gehe, hat sie die Zeit dafür. Ich gehe nicht um zu einem Ziel zu gelangen, sondern um sie in ihrem Tempo ihre Umwelt erkunden zu lassen. Selten an der Leine, aber wenn, dann bleibe ich halt eben auch stehen und lasse sie schnüffeln. Thompson nannte es witzigerweise "Nosebook", abgeleitet von "Facebook". Und das ist gar nicht so weit hergeholt. Denn so wie wir uns bei FB nach Neuigkeiten umsehen, in Kontakt mit anderen treten, so hat der Hund beim Spaziergang die Möglichkeit, dies auf seine Art mit seinen Artgenossen zu tun.

Er liest die Posts und tut seine Meinung kund.

Das bedeutet aber auch, dass er Zeit dafür braucht. Und dass der am anderen Ende der Leine sie ihm auch zubilligt. Dass er versteht, dass es auch mal was dauern kann, dass ein Post nochmal durchgelesen werden muss um den Sinn dahinter zu verstehen.

Wie geht ihr mit euren Nosebook-Nutzern um?

Habt ihr die Geduld, sie schnuppern und markieren zu lassen?

Geht ihr mit ihnen oder sie mit euch spazieren?

 

Wenn ich mit Cindy unterwegs bin, sehe ich natürlich viele andere Hund-Mensch-Gespanne unterschiedlichster Art.

Die einen laufen völlig desinteressiert neben ihrem Hund her. Musik auf den Ohren, Handy vor der Nase.

Andere gehen und Hundi schnuppert um sie herum, freilaufend.

Wieder andere scheinen einen Hundemarathon zu planen, so flott sind sie mit ihrem Hund an der Leine unterwegs oder lassen ihn neben dem Rad laufen.

Und manchmal sehe ich, dass dem Hund an der Leine keine Chance gegeben wird, auch mal stehen zu bleiben und zu schnuppern. Und da frage ich mich schon, wo hier der Sinn des Spaziergangs ist.

Wenn ich es mal aus ihrer Sicht betrachte:

Cindy liegt den ganzen Tag zu Hause rum, ist lieb, nahezu unsichtbar. Schläft. Lässt mich meine Dinge tun. Geht's raus zum Spaziergang, wartet sie brav, bis ich mir meine dicke Hose angepfriemelt habe, die Schuhe... Winter halt, das dauert. Dann vielleicht nochmal kurz das Handy gecheckt, eben noch ne Antwort getippt habe....

Und dann gehts es los. Endlich!

Und dann, in wessen Tempo? In Ihrem oder meinem? Ziehe ich sie weiter, ohne mich zurück zu nehmen, oder habe ich Geduld ihr den Respekt zu zollen, ebenso brav zu warten, bis sie ihren Post gelesen hat?

 

Es gibt die unterschiedlichsten Meinungen zum Thema "Hund an der Leine". Meine ist, dass die Leine eigentlich unnötig ist, ich sie ihr aber anlege um sie etwas enger anleiten zu können. Die Leine ist ein Hilfsmittel. Für uns beide. Ich gebe ihr meine Hand, so wie ich es bei einem Kind mache, wenn wir an einer belebten Straße unterwegs sind. Zu ihrem Schutz. Nicht um sie zu gängeln.

Wenn ich die Leine auch nur minimal anziehe, kann ich Cindy lenken. Von meiner rechten auf die linke Rolliseite zum Beispiel. Cindy sieht die Leine auch nicht als unangenehm an, was ich daran festmache, dass sie angelaufen kommt, schwanzwedelnd, wenn ich mich mit dem Karabinerhaken in der Hand runterbeuge. Sie stellt sich dann neben den Rolli und wartet, bis ich sie angeleint habe. Immer. Und ja, dann gibts ne kleine Belohnung. Streicheln, oder ein paar Bröckchen Trockenfutter.

Und ein Kind würde ich auch nicht weiterzerren, wenn es stehen bleibt, weil es etwas Interessantes gesehen hat. Auch wenn ich keine Zeit habe, würde ich dennoch erstmal auch stehen bleiben, ihm zeigen, dass ich es wahrnehme und mit ihm das anschauen, was seine Aufmerksamkeit errregt hat. Und dann würde ich sagen, dass wir nun aber weiter müssen. Habe ich Zeit, würde ich warten, bis der/die Kleine zu Ende geschaut hat und von sich aus wieder weiter geht.

 

Und so mache ich es mit Hundi an der Leine auch. Da ich sie selten mitnehme, wenn ich Besorgungen zu machen habe, kommt es auch selten vor, dass ich keine Zeit habe. Aber manchmal, wenn sie ihren "heute-rieche-ich-an-jedem-Grashalm"-Tag hat, fehlt auch mir irgendwann die Lust und Muße. Und dann sage ich ihr auch: "So, jetzt müssen wir aber weiter." Und dann fahre ich langsam weiter, sodass sie merkt, gleich spannt sich die Leine an. Und dann kommt sie auch.

Ohne Leine ist es nochmal einfacher. Ich kullere langsam weiter und sie folgt mir in ihrem Tempo. Mal hinter mir, mal voraus, aber immer mit mir im Kontakt. Ich finde es schön, so mit ihr unterwegs zu sein. Und ich glaube, sie mag es auch.

Kommen fremde Hunde schaut sie mich an. Dann geht sie meist an die Seite des Rollis, die sie erstmal vor einer Begegnung schützt. Und so passieren wir die "Gefahr". Und direkt danach schert sie aus um den Geruch des anderen aufzunehmen.

Das alles zu beobachten finde ich wirklich interessant. Viel interessanter, als auf mein Handy zu schauen.

Spielen in dem Sinne tun wir beide nicht mehr so sehr oft. Mal verstecke ich den Futtersack und lasse sie ihn suchen, aber ansonsten sind wir beide mit unserem Spaziergang zufrieden. Wir "arbeiten" ja die ganze Zeit miteinander, indem sie auf mich achtet und ich ihr, wenn nötig, mit Zeichen mitteile, wenn sie kommen oder warten muss. Ich glaube, das reicht.

Wobei es nach außen hin sicher so scheint, als würden wir gar nichts machen. Die Pfeife, die ich mitnehme um sie rufen zu können, bleibt die meiste Zeit unserer Spaziergänge stumm. Wir brauchen sie nicht. Und ich hampele auch nicht die ganze Zeit mit meinen Händen rum. Nur wenn sie wirklich kommen soll. Ansonsten lasse ich sie in ihrem Tempo gehen.

Und sie mich in meinem. ;-)

 

Ich bin gespannt, wie ihr eure Spaziergänge beschreiben würdet.

"Der Weg ist das Ziel"? "Der Hund braucht Bewegung"? "Lust habe ich keine, aber der Hund muss ja nunmal raus"?

Bei mir ist es ganz oft, Variante drei. Aber wenn wir dann unterwegs sind, wird es ganz schnell zu Variante eins.

So, dann wollen wir mal, Nosebook wartet! ;-)




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Kommentare: 1
  • #1

    Laura (Freitag, 13 Januar 2017 15:00)

    Ich habe meine Lychee - eine Zwergpudelhündin - erst seit Ende Juli letzten Jahres.
    Ich bin gerne draußen - mit einem Hund macht das nochmal viiiiel mehr Spaß!
    Und nun schneit es. Normalerweise bewege ich mich bei Schnee keinen Zentimeter vor die Haustüre. Doch mit meiner kleinen Hündin die gerade in der Pubertät ist, macht sogar das Spaß! Es ist so schön, alles gemeinsam mit ihr zu erleben!
    Und ich nehm sie auch so gut wie überallhin mit :)