Rückblick 2016


Na klar, der darf nicht fehlen!

 

Schaue ich auf das Jahr 2016 zurück, war es für mich vor allen Dingen ein Jahr, das durch einige Herausforderungen und den Erhalt diverser Hilfsmittel für meine Erkrankung geprägt war. Es hatte eine Fülle neuer Erfahrungen und schöner Momente, sowie Begegnungen mit tollen Menschen für mich parat.

 

Wenige Wochen aus der Reha zurück, hatte ich eine Menge Verordnungen im Gepäck, die ich bei meinem Sanitätsmenschen eingereicht habe. Es gab eine Verordnung für meinen Panzer, eine für Haltestangen im Bad und später sogar noch eine neue Terrassentüre und eine Rampe, die mir das selbstständige Verlassen des Hauses ermöglichten.

Nun, fast am Jahresende, bekomme ich noch meinen Wunsch nach einem neuen Aktivrollstuhl erfüllt.

Und als größtes Highlight: Ein Auto, das ich selber fahren kann!

Im April kam unsere neue Terassentüre. Bei 10 Grad Außentemperatur ein kleiner Bibberakt. Aber es hat sich gelohnt!
Im April kam unsere neue Terassentüre. Bei 10 Grad Außentemperatur ein kleiner Bibberakt. Aber es hat sich gelohnt!

Die Freude über die Genehmigung und Lieferung der Hilfsmittel wurde begleitet von einem Gefühl des Bedauerns, dass sie überhaupt nötig waren. Es war beschwerlich zu gehen und zu stehen. Später im Jahr war dann damit ganz Schluß.

Der Panzer wurde im März geliefert. Auch hier: Ich habe mich super gefreut, dass ich nun wieder Hunderunden mit Cindy unternehmen konnte, aber in ihm fühlte ich mich um Längen behinderter als ich es tatsächlich war. Mein bis dahin genutztes Dreirad verkaufte ich. Zuletzt kam ich kaum noch rauf und wenn ich mich fortbewegen wollte, war ich in der höchsten Stufe der Elektrounterstüzung unterwegs. Und selbst da fiel das Treten schwer.

Ich schaute zu, wie die Kraft meine Beine verließ. Und war andersherum dankbar, dass es "nur" die Beine betraf.

Vorne mein neuer, im Hintergrund mein alter Weggefährte
Vorne mein neuer, im Hintergrund mein alter Weggefährte

Im Februar gab es eine Menge Baustellen in meinem Leben.

Eine, die problemlos abgearbeitet wurde, war die Beantragung der Pflegestufe. Erstmal hatte ich gar nicht das Gefühl, eine zu benötigen. Aber, schauen wir der Wahrheit mal ins Auge: Ein wenig hilfebedürftig bin ich vielleicht schon... ;-) Und außerdem wäre es ohne Pflegestufe zu keiner finanziellen Unterstützung der Pflegekasse gekommen, als es um meine Terrassentüre ging. Die Pflegestufe wurde mir auch sofort genehmigt. Yeah, etwas, was ohne Kampf ablief!

 

Im Januar stellte sich heraus, dass meine Mutter krank wurde. Da wir keinen engen Kontakt hatten, brauchte es etwas, bis ich das erkannte. Sie rief mich immer öfter an um mir immer die gleichen Fragen zu stellen. Sie konnte weder Zeit noch Datum klar benennen. Das wurde in wenigen Monaten so schlimm, dass ich sie im April zum eigenen Schutz in ein Krankenhaus bringen musste. Dort wurde sie auf der Gerontopsychiatrischen Station behandelt. Es wurde Alzheimer diagnostiziert. Was eine Rückkehr in ihre Wohnung, die sie über 50 Jahre bewohnt hatte, ausschloss. Hier war sie mit meinem Vater eingezogen, mein Bruder und ich waren dort aufgewachsen und seit dem Tod meines Vaters lebte sie dort alleine. Die Vermieter, die in der Wohnung unter ihr wohnen, und ebenfalls nahe der 80er sind, hatten mit ihr ein familiäres Verhältnis aufgebaut, was überhaupt erst dazu führte, dass sie so lange "unbemerkt" krank war. Sie fingen sie oft auf, erzählten mir aber erst davon, als es fast zu spät war. Dennoch bin ich ihnen unendlich dankbar für all das was sie auch nach dem Auszug meiner Mutter unentgeldlich für sie und mich getan haben. Bis hin zur kompletten Renovierung der sehr verlebten Wohnung.

Aus dem Rolli heraus die Wohnung aufzulösen war eine Herausforderung, die ich aber ebenfalls gemeistert habe.

Meine Mutter wurde nach dem Krankenhaus sofort in ein Altenheim weitergeleitet, das wenige 100m von meinem Zuhause entfernt ist, sodass ich sie problemlos besuchen kann.

Leider hat sich ihr Zustand aber weiter verschlimmert, sodass aktuell wieder ein Krankenhaus-Aufenthalt nötig ist. Ich hoffe auf eine Neumedikation, die ihr das Leben mit der Krankheit erleichtert.

Cindy hat bei den Besuchen im Altenheim gelernt, das Menschen nicht per se schlecht sind und ist sehr viel entspannter im Umgang mit Fremden geworden.
Cindy hat bei den Besuchen im Altenheim gelernt, das Menschen nicht per se schlecht sind und ist sehr viel entspannter im Umgang mit Fremden geworden.

Der Februar brachte eine schöne Nachricht.

Ich war zur Vorstellung in der Bochumer ALS-Ambulanz. Zum ersten Mal. Der dortige Arzt war ein super lockerer Typ. Ich mochte ihn sofort. Leider ist er nun nach Essen gewechselt. Aber auch seine Nachfolgerin ist sehr nett. Dennoch überlege ich, ihm hinterher zu wechseln. Mal sehen.

Jedenfalls fragte er mich, wie man darauf gekommen sei, dass ich eine ALS habe. Er war sich da gar nicht so sicher. Und sagte, er habe wirklich über Jahre schon viele Verläufe gesehen, aber einer wie bei mir sei ihm noch nie untergekommen. Außerdem sei es so, dass man, auch wenn man als Arzt sicher sei, dass es eine ist, es dem Patienten erst sagt, wenn auch die Diagnostik dafür spricht. (Also lieber falsch negativ in Kauf genommen wird, als falsch positiv. Wie es die Ärztin in der Uniklinik Aachen aber scheinbar gemacht hat.)

Bei mir spräche die Diagnostik nicht dafür. Es seien Faktoren mit rein genommen worden, die dafür gar nicht zu Rate gezogen werden durften, weil sie das Ergebnis verfälschen.

Ich hätte ihn knutschen können!

Hat sich was geändert dadurch?

Leider nicht wirklich, denn die Diagnose ist in mein Bewußtsein und, viel schlimmer, in mein Unterbewußtsein gepflanzt worden. Und sie begleitet mich. Der Bochumer Arzt sagte, alles sei möglich, auch wenn er es nicht wirklich glaube, so würde er die Variante "Flail legs" der ALS weiter laufen lassen, allein auch, um die Medikamente und weitere Vorgehensweisen nicht zu torpedieren. Denn eine andere Diagnose hatte er ja leider auch nicht. So scanne ich mich weiter und hoffe das Beste. Und ganz oft wenn die Angst oder die Sorge kommt, rufe ich mir den Moment in seinem Zimmer in Erinnerung. Er wiegt aber leider nicht so schwer wie der Moment in dem Zimmer der Ärztin in Aachen, auch wenn es eins zu eins steht. Leider glaubt man das Schlechte eher. Doof.

Ebenfalls im Februar begann ein Kampf mit meinem Arbeitgeber, der sich über drei Monate hinziehen sollte. Ich erspare uns Details, aber einem Menschen der an einer Nervenerkrankung leidet so auf die Nerven zu gehen, war ...frech. Und das ist echt nett ausgedrückt. Dank meines Anwalts und vor allem Dank Thompson, der mich immer weitertrieb wenn ich versucht war, aufzugeben, habe ich eine befriedigende Lösung gefunden. Dass ich meine Loyalität zu meinem Arbeitgeber in diesem Psychokrieg verloren habe, machte es mir nochmal leichter, einer Trennung zuzustimmen, die mit einem, so möchte ich es nennen, "Schmerzensgeld" abgefunden wurde. So werde ich ab 01.01.17 zum ersten Mal in meinem Leben arbeitslos sein. Lieber das, als für eine Firma zu arbeiten, die mich nicht mehr haben will.

Meinen Ausstand habe ich in den September vorgezogen und ihn mit lieben Kolleginnen begangen, die meine Weggefährten auf verschiedenen Stationen in 31 Jahren waren.
Meinen Ausstand habe ich in den September vorgezogen und ihn mit lieben Kolleginnen begangen, die meine Weggefährten auf verschiedenen Stationen in 31 Jahren waren.

Im April begann der Kampf mit der Rentenversicherung um einen umgebauten PKW.

Die Rentenversicherung weigerte sich, die Kosten für den Umbau zu übernehmen. Es waren drei!!! Widersprüche nötig, bis ich am 06.12. die Kosten-Zusage erhielt. Sie fanden mich einfach zu krank, um einen Wagen eigenständig zu führen. Auch wenn sie mich nie gesehen haben. Es hieß "Entscheidung nach Aktenlage". Terrier Michaela hat sich aber mal wieder durchgebissen und darf sich nun auf einen VW Multivan freuen. In diesem Schoko-Braun. :-)

Nicht vom Dialekt des Moderators erschrecken lassen! :-D

So ab Mai wurde mein Leben wieder ruhiger. Meine Mutter war sehr gut untergebracht und ich brauchte mir keine Sorgen mehr machen. Mit meinem Arbeitgeber hatte ich mich auch geeinigt.

Im Zuge meiner damaligen Versuche, meine alte oder eine andere adäquate Stelle in meinem Unternehmen zu erlangen, wurde mir mehr als einmal gesagt, ich müsse dafür besser englisch sprechen. Na, dann!

Ich suchte mir eine Sprachschule und stellte beim LVR den Antrag auf Kostenübernahme, die mir auch prompt erteilt wurde. Meine Englischlehrer kommen im Wechsel, sodass ich zweimal in der Woche Unterricht habe. Daneben habe ich wöchentlich Akupunktur, Physiotherapie, Psychotherapie und seit Neuestem eine weitere Methode aus der traditionellen chinesischen Medizin, eine Art Akupressur, die die Nerven "wecken" soll.

Da ich, außer zwei Tabletten am Tag zu nehmen, nichts sonst für die Verbesserung oder wenigstens Erhaltung meiner Gesundheit tun kann, sind all diese Methoden wert, versucht zu werden. Der scheinbare Stillstand meiner Erkrankung scheint dafür zu sprechen.

2015 sind wir in unser Haus gezogen, 2016 konnten wir den Garten und den Teich endgültig auf Vordermann bringen lassen. Ein Herzensprojekt, das schneller als gedacht umgesetzt werden konnte. Das hat mich auch sehr gefreut!

Das nächste Highlight war das bestandene Abitur meines Sohnes.

Sie werden groß... :-)

Die Abifeier fand in einer behindertengerechten Lokalität statt, was mir sehr gut gefiel, wie auch die Feier selber. Ganz zu schweigen vom Essen! Lecker, lecker!

Es ist ein großes Glück, solch eine tolle Familie zu haben!

Als weiteres Highlight sehe ich die Reise nach Ausschwitz, über die ich ausführlich gebloggt habe. Es war nicht nur das Ziel ein Erlebnis, es war das Gesamtpaket, das ich als unvergesslich schön in Erinnerung behalten werde.

Die Gespräche, das Lachen, das gemeinsame, teilweise bestürzte Schweigen im Angesicht der unfassbaren Greueltaten derer wir ansichtig wurden, es waren die Städte Dresden und Krakau, die wir besucht haben und die wirklich eine Reise wert sind, und es war das unterwegs-sein als solches.

Wir sind nahezu 2500 km in 4 Tagen gefahren. Ich nur als Beifahrer. Und diese Reise hat mir eindringlich gezeigt, wie gerne ich wieder Fahrer sein möchte. Und sie hat mich dazu bewogen, den letzten und schließlich erfolgreichen Widerspruch gegen die Entscheidung der RV einzureichen.

ICH WILL WIEDER AUTO FAHREN! Hier habe ich gewusst, dass ich mich nicht mit einem Leben als Bei- oder Busfahrer zufrieden geben möchte. Und es hat geklappt.

Außerdem hat mir die Reise gezeigt, dass es auch als Rollifahrer Spaß  macht, neue Orte zu entdecken. Dass es immer irgendwie geht und dass man sich keinen Kopf machen muss, sondern einfach darauf vertrauen sollte, dass es schon klappen wird.

 

Das nehme ich auch für mein Leben in Anspruch. Es wird immer irgendwie weiter gehen, und ich bin frohen Mutes, dass es gut weitergehen wird. Ich habe eine tolle Familie, die Gott sei Dank gesund ist, ich lebe in einem wunderschönen Haus, habe die Möglichkeit, mein Leben selbstbestimmt zu gestalten und habe sehr viele tolle Menschen um mich herum, die mein Leben bereichern.

Nicht zu vergessen, meine Cindyline und die Katzis, eine so klasse wie die nächste.

Und zum Abschluß noch ein paar Impressionen unseres Weihnachtsfestes 2016. Es war, wie immer, ein FEST!

(Klick aufs Bild macht es groß)

Ich erinnere mich nicht, mich jemals in meinem Leben so wohl gefühlt zu haben, wie ich es jetzt tue. Wenn dazu gehört, dass ich nicht laufen kann, dann werde ich dies gerne in Kauf nehmen.

So ausgeglichen, entspannt und zufrieden war ich in all den Jahren meines gesunden Lebens nicht. Ich fühle mich weder unter Druck, noch gehetzt, sondern lebe im Hier und Jetzt.

 

Also:

Danke 2016!

 

Ich freue mich auf 2017!




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Kommentare: 3
  • #1

    Heike (Samstag, 31 Dezember 2016 09:59)

    ... ich bin ohnehin eine Heulsuse.. aber da flossen wieder die Tränen: "wenn es dazu gehört, dass ich nicht laufen kann...". Nein, das sollte es nicht, obwohl du sicher einfach dankbar bist für das was du hast. Meine Mutter meint immer: "Kind, sei demütig".
    Ich wünsche dir sehr, dass die Chi-Therapie deine Muskeln extremst auf Vordermann bringt!!!

  • #2

    Mihm Margarete (Sonntag, 01 Januar 2017 14:31)

    Wünsche alles Gute ,es muss immer weitergehen.
    Vertrauen gute Freunde und etwas Glück wünsche ich

  • #3

    Gerlinde Mueller (Sonntag, 08 Januar 2017 13:33)

    Hi Michaela ich ziehe den Hut vor dir .Deine positive Einstellung zum Leben sind echt bewundernswert und ja ich glaube dir aufs Wort,das du dich noch nie so ausgeglichen und wohl gefühlt hast . Ich wünsche dir von Herzen ,das all die Therapien dir helfen und deine Krankheit still steht ! Außerdem das all deine Wûnsche in Erfüllung gehen werden .Ich lese deinen Block gerne und du kannst dir ûberlegen ein Buch zu schreiben,denn du hast die Begabung :-) lg Gerlinde