Da ich heute mal wieder in Bochum war um mich in der ALS-Ambulanz vorzustellen, möchte ich Euch über den aktuellen Stand der Dinge unterrichten.
Das Wichtigste zuerst:
Ich lebe noch. :-)
Und noch nicht mal schlecht.
Ich habe mich in meinem Rolli-Leben sehr gut eingerichtet. Und, und das finde ich noch viel schöner: Meine Freunde haben sich ebenfalls in meinem neuen Leben eingerichtet. Sie sind angekommen. Grandios!
Das bedeutet, dass meine Krankheit überhaupt kein Thema mehr ist, wir reden wieder über Themen die uns interessieren, lachen und behandeln auch ernste Themen. Aber meine Krankheit hängt nicht mehr wie eine Wolke über uns. Ich sitze im Rollstuhl, das ist nun fast schon normal. Das gefällt mir sehr!
Es gefällt mir sehr, dass keiner meiner Freunde sich betont normal gibt. Nein, es IST normal.
Um aber auch einmal zu meiner Krankheit zu kommen:
Wenn der Weg vom Halbmarathon in den Rollstuhl recht schnell ging, es lagen ja grade mal 2,5 Jahre dazwischen, würde ich sagen, verlangsamt sich die Verschlechterung.
Es gibt akuell nichts zu berichten. Und auch der heutige Besuch in Bochum zeigt, dass sich seit meinem ersten Besuch im Februar keine nennenswerten Verschlechterungen ergeben haben.
Das finde ich erstmal sehr gut.
Allerdings hat sich auch die Hoffnung nicht bewahrheitet, dass eine Behandlung mit Immunglobuline eine Verbesserung bringen könnte, hier ist schlichtweg nichts geschehen. Außer den verheerenden Nachwirkungen in Form von schier unerträglichen Kopfschmerzen und einer Durchfallerkrankung über mehr als eine Woche, die ich in dieser Heftigkeit in meinem ganzen Leben noch nicht durchgemacht habe.
Lapidar meinte mein Akupunkteur, nachdem ich wieder gesund war: "Dann merken sie wenigstens, dass irgendetwas gewirkt hat." Ja, vielen Dank.
Vielleicht liegt es an der Akupunktur? An den Tabletten? Am Schicksal? Am Healing Code?
An allem zusammen? Meine Krankheitsverlauf stagniert. Oder wird so langsam schlechter, dass ich es nicht merke.
Vor wenigen Wochen hat mir eine Dame, die meinen Blog liest, den Tipp gegeben, zu einem Chinesischen Heiler zu gehen, der Energie-Blockaden im Körper löst, sodass sich die Selbstheilungskräfte wieder frei entfalten können.
Den habe ich vorletzte Woche Freitag besucht um mich zu informieren. Nun habe ich einige Behandlungen geplant und bin sehr gespannt, ob sich etwas verändert.
Da ich, außer Physio und Tabletten, nicht groß was machen kann, um meinen Zustand zu verbessern, denke ich, ist es legitim, auch unkonventionellen Methoden eine Möglichkeit zu geben. Schlimmstenfalls passiert nichts.
Dass ich so lebe wie ich es tue, hilft mir sicherlich auch. Ich versuche sehr, auf mein Gefühl zu hören, das mich meist in die richtige Richtung lenkt. Ich versuche, nichts zu erzwingen. Manches benötigt einfach seine Zeit. Da ist es immer mal schwierig, die Balance zu finden, denn wenn ich ein Ergebnis wünsche, muss ich natürlich auch eine Aktion auslösen. Nur dann ist eben auch wieder Warten angesagt. Geduld.
Nicht meine Königsdisziplin. ;-)
Weiter versuche ich, das sprichtwörtliche "Drüber schlafen" zu praktizieren. Es hilft mir sehr in Momenten, wo ich eine schnelle Antwort schon auf den Lippen habe. Da dann gar nichts zu schreiben/sagen hat mir schon oft geholfen. Es hat sicherlich einige unnötigen Streitigkeiten verhindert. Und was ein sehr guter Nebeneffekt ist: Dadurch, dass ich keine Stellungnahme abgebe, bekomme ich auch keine zurück, über die ich mich dann womöglich wieder ärgere.
Auch versuche ich, sachlich zu bleiben, auch und gerade wenn mir der Hut hochgeht. Ich schreibe/sage dann ein Statement, das tatsächlich nur eine Bewertung der Sachlage ist. Und dann sage ich nichts mehr. Schon gar nicht lasse ich mich auf unproduktive Diskussionen ein.
Und wer mir nicht gut tut, der darf mein Leben verlassen. Ich bin für mich verantwortlich und habe verstanden, dass auch nur ich mich ändern kann. Ich kann niemanden sonst ändern. Darum verabschiede ich Menschen die mir schaden. Sei es, weil sie mich angreifen, das muss gar nicht physisch/verbal sein, es reicht schon, dass ich mich unwohl fühle, z.B. weil ich ihre negative Energie spüre.
Ich tu es mir nicht mehr an, mich in Kämpfe zu begeben um jemanden zu retten. Ich reiche meine Hand, wird sie ergriffen, helfe ich gerne, ich kämpfe aber nicht darum.
Jammern ist nicht meins, war es noch nie. Und es ist auch nicht meins, Jammerern eine Plattform zu geben.
Ich liebe das Leben und lasse es mir nicht vermiesen. Unkenrufe entgehe ich so gut wie möglich, zumindest bekommt kein Miesepeter eine zweite Chance, seinen Müll bei mir abzuladen.
Und ich bin rigoroser geworden. Die Welt dreht sich weiter wenn ich "Nein" sage. Ich habe es schon einmal geschrieben. Es muss nicht zwangsläufig ein unfreundliches "Nein" sein.
Ich bewundere Menschen, die ihren Weg gehen. In sich ruhend, aber zielstrebig und mit innerer Stärke und Selbstbewusstein. Wenn man das Wort "Selbstbewusstsein" auseinander zieht, sagt es so viel mehr aus. Man ist sich seiner bewußt. Ich brauche mich nicht verbiegen. Bin wie ich bin. Wer das nicht mag, muss nicht mit mir zusammen sein. Auch wieder nicht böse gemeint. Aber eine solche Einstellung finde ich sehr entlastend. Es ist nicht meine "Schuld", wenn ich den Maßstäben nicht entspreche. Die wer aufgestellt hat?
Vieles davon glückt mir, vieles auch nicht, oder nicht immer. Aber allein die Achtsamkeit auf mein So-Sein hilft mir schon in der Balance zu bleiben.
Ich versuche immer, etwas Gutes an allem zu finden.
Heute morgen zum Beispiel: Der Landschaftsgärtner, der auch bei uns die Sträucher geschnitten hat, war nun bei unseren direkten Nachbarn um einen neuen Zaun zu setzen. Zuerst einmal finde ich es klasse, einen neuen Zaun zu bekommen, ohne etwas dafür zu zahlen. :-)
Aber das wollte ich nicht erzählen. Ich war grade draußen um mit Cindy zu gehen, als er in der Nähe unseres Teiches die Balance verlor, auf die Randsteine trat und sich an unserem Chinaschilf festkrallte um, wie im Karussell, zurück auf das Nachbargrundstück zu routieren.
Ich sah zuerst den heruntergetretenen Randstein am Teich und hatte Sorge, dass nun Wasser über das Ufer treten könnte.
Und dann musste ich grinsen.
Denn mir fiel ein, dass er, als er die Sträucher schnitt, fragte, ob er das Chinaschilf auch schneiden solle. Ich sagte daraufhin, er soll es stehen lassen, die Wedel seien ja grade erst gewachsen.
Hätte er es geschnitten, wäre er im Teich gelandet. :-)
Last but not least habe ich eine Menge toller Begegnungen gehabt, die ich sehr genossen habe. Ich habe tolle neue Menschen kennen lernen dürfen, die ich ohne meine Krankheit sicher nicht gefunden hätte. Denn ohne meine Krankheit würde es diesen Artikel und all die anderen überhaupt nicht geben. :-)
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