Ankommen


Ich lebte mich ein. Der Klinik-Tag wurde mein Alltag. Mein zweiter Tag war geprägt vom Kennenlernen. Ich durchlief jeden möglichen Bereich, damit mich jeder Therapeut beurteilen konnte und ich entsprechende Behandlungen bekam. Logo- und Ergotherapie waren nicht nötig. Aber ich bekam das Angebot, dass ich, wenn ich mag, immer mal zwischendurch ein warmes Sand-Handbad nehmen könne. Das war überraschend und sehr angenehm. Der Sand war etwas wärmer als Körpertemperatur und sehr fein. Man steckte die Hände hinein und bewegte sie, dadurch wurden sie angenehme warm und massiert.

Das habe ich mir immer mal gegönnt.

Weiter ging es zum Psychologen. Der brauchte meines Erachtens selber einen. Manche sind aber echt ... ähem... speziell. Himmel. Ich hörte ihm verständnisvoll zu, beantwortete seine Fragen und zeigte mich interessiert an seinen Angeboten. Wir kamen überein, dass ich keine akute Unterstützung benötige, es auch keine Suizid-Gefährdung gibt, die auf Grund meines Krankheitsbildes möglich wäre. "Mein Krankheitsbild", da war es wieder.

 

Da ich ihm erzählte, dass ich zu Hause bestens versorgt bin mit einer psychotherapeutischen Behandlung, war alles töfte. Was ich wohl gerne mitmachen wollte, war ein Merkfähigkeits-Test. Ich spiele halt gerne. Dafür schrieb er mich ein, dann konnte ich meiner Wege ziehen.

Ich lernte den Unterschied zwischen Physikalischer Therapie und Physiotherapie. In den Praxen, die man vor Ort besucht, ist das zusammen, aber hier in der Klinik war das getrennt. Im Untergeschoß ging es links in die physiotherapeutische und rechts in die physikalische Abteilung. Die rechte Abteilung gefiel mir besser. Hier gab es nämlich Heißluft, Massagen, Elektrotherapie. Lauter Dinge wo du nur liegst und machen lässt. Genau mein Ding. :-)

In der Physiotherapie hieß es schuften. Hier wurden die Muskeln genutzt um sie zu stärken. Diverse Übungen wollten absolviert werden. Hier war aber auch eine Fülle an Möglichketien enthalten. Meine Physiotherapeutin fragte mich, welche Hilfsmittel ich schon zu Hause habe. So viele waren das zu dem Zeitpunkt noch nicht. Stock, Rollator, Rollstuhl. Sie schaute meine Pereneusschiene an und schlug vor, dass mir eine andere zur Probe gegeben werden solle. Vielleicht käme ich damit ja noch besser klar. Wir sprachen über Handläufe für mein Badezimmer. Die fand ich auch zunehmend wichtiger und wollte mich nach meiner Rückkehr darum kümmern. Sich wacklig auf den Beinen nicht festhalten zu können, ist kein schönes Gefühl.

Und sie schlug mir auf meine Frage nach einer Elektro-Unterstützung für meinen aktuellen Rollstuhl, einen Elektro-Rollstuhl vor. OH NEIN!

Keinen Elektro-Rollstuhl! Das nicht auch noch. Ich wollte doch nur einen E-Motion-Antrieb!

Die Elektro-Unterstützung konnte an meinen Rollstuhl montiert werden. Sie und ihr Chef waren sich aber einig darin, dass mich dieser Antrieb bei weitem nicht so wird unterstützen können, wie es ein E-Rolli können würde.

"Ich würde auch bei weitem nicht so voll behindert aussehen, wie ich es in einem Elektro-Rollstuhl tue", dachte ich.

Geht's euch auch so? Die, die im E-Rolli unterwegs sind, sind in meinem Kopf direkt schwerst-behindert. Stephen Hawkin halt. Soweit war ich noch nicht. Noch lange nicht! Sie schlugen mir vor, dass ich einmal einen Probe fahren sollte. Wenn einer frei würde, würden sie ihn mir geben. Naaa guuut.

Zwischen den diversen Therapien war immer mal Pause. Doof war, dass wir nunmal auf einem Berg waren. Runter war kein Problem, aber wieder hoch...? So fand ich einen Weg um raus zu können ohne mich groß anstrengen zu müssen. Ich rollte aus dem Haupteingang raus, runter, durch den Rosengarten. Dort konnte man sehr schön sitzen und die Seele baumeln lassen. Es gab einen tollen Blick aufs Tal. Und wenn ich wieder rein musste, nahm ich den Eingang, der zur Physiotherapie im Untergeschoß führte. Mit dem Aufzug wieder hoch. Angekommen. :-)

Verpeili-Girl ließ mich die meiste Zeit in Ruhe. Sie kam gerne mal erzählend ins Zimmer gestürmt, war immer im Stress, die Arme. Dann quasselte sie weiter, während sie ihre Sachen zusammen suchte. Es war nicht immer klar, ob sie mir was erzählte oder wem auch immer.

Ab Tag drei habe ich von meinem Buch nicht mehr aufgesehen. Quatschend zog sie dann wieder ab. Da sie auf Grund irgendwelcher Tabletten meist um 21 Uhr schon schlief, haben wir, besser, hat sie, unsere Betten umgeschoben, sodass ich noch was fernsehen konnte.

Dafür war sie allerdings um 5 auch wieder wach.

Ich dann auch. Sie versuchte leise zu sein. Das klappte aber nicht. Dann leuchtete das Handy-Display auf, dann schlich sie ins Bad, dann beschloss sie zu duschen. Ich dachte, ich werde kirre. Nachdem ich gegen 6 dann aufgegeben hatte, habe ich ihr zu verstehen gegeben, dass es so nicht geht.

Das sah sie auch ein. So waren die Nächte dann etwas länger.




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