Fahrtraining


Um mit meinem Rolli besser umgehen zu können, dachte ich mir, sei es eine gute Idee, eine Art „Fahrertraining“ zu absolvieren. Ich stellte mir einen Kurs vor, wo man Rampen, Bordsteine, Busse und ähnliche Alltagshürden meistern lernt.


Bild 11059180 copyright pryzmat
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Schöne Vorstellung, aber gar nicht einfach zu finden. Nach einigem Suchen wurde ich in einer Nachbarstadt fündig. Das war der einzige Kurs weit und breit. Unglaublich aber wahr. Dort gab es eine Rollstuhlgruppe, die samstags morgens in einer Turnhalle zusammen kam. Das wollte ich mal ausprobieren. Pascal kam mit, denn ich war nicht in der Lage, den Rollstuhl ins oder aus dem Auto zu heben.

Dass ich mich sofort reinsetzen musste, gefiel mir auch nicht so recht, aber es war reichlich sinnfrei, dort mit dem Rollator aufzuschlagen. Im Rolli war ich aber lange noch nicht angekommen, kein richtiger Rollstuhlfahrer. Schließlich konnte ich ja noch laufen. So lebte ich in einer Zwischenwelt. Das eine konnte ich „nicht mehr“ gut genug, das andere „noch nicht“ gut genug.

 Nach einigem Suchen hatten wir die richtige Schule, an der die Turnhalle angrenzte, gefunden, Pascal lud aus und wir fuhren zum Halleneingang. Lauter Rollstuhlfahrer. Schaurig. Ich hatte ein echtes Problem damit. Fühlte mich total fehl am Platz. Der Leiter der Gruppe war ein älterer Herr, beinamputiert. Er begrüßte mich freundlich, denn wir hatten im Vorhinein telefoniert. Dann lud er mich ein, in die Halle zu fahren und mich etwas einzugewöhnen. Machte ich. Pascal kam mit. Ich stellte mich den Anwesenden vor und rollte mit ihnen ein wenig durch die Halle. „Warmmachen“. Der Übungsleiter hatte mir zugesagt, dass ein Helfer kommen würde, der zum einen Hilfestellungen geben konnte und zum anderen eine Art Parcours aufbauen würde. Als ich da rumrollte, sagte er mir, dass der Helfer krank sei und nicht kommen könne. Hm. Doof. Die Gruppe hatte unterdessen begonnen, beim rollen irgendwelche Übungen zu machen. Das war aber echter Behindertensport. Da die Gruppe aus Menschen bestand, die von „fit“ wie ich bis zu sehr schwer beeinträchtigt reichten, war es sicher auch schwierig, die rechte Balance zu finden. Jedenfalls kam ich mir reichlich deplatziert vor. Machte aber gute Miene zum schrägen Spiel. Pascal saß mittlerweile auch in nem Rolli. Die wurden für Nichtbehinderte extra mitgebracht. Das fand ich wiederum klasse. Er hatte einen Sportrolli und drehte mächtig auf. Als ich begann mich zu fragen, ob ich jetzt ewig Luftballons durch die Gegend tipsen, meine Arme und Schultern kreisen, meinen Kopf drehen sollte, kam ein Mann auf mich zu und bot an, ein paar Hürden aufzubauen. Damit ich etwas fahren üben kann. Auja! Das tat er dann auch. Mit Matten, dicken und dünnen, einer Wippe, einem Kippbrett. Das war echt gut. Er leitete mich auch an. Gab mir Tipps und nahm mir die Sorge umzukippen. Das kann mit ausgestelltem Kippschutz nicht passieren. Der hält den Rolli fest, wenn man sich zu sehr in Rückenlage begibt, so dass man nicht auf dem Hinterkopf landet.

(Wenn man aber vergisst, den Kippschutz auszuklappen, wie es mir zweimal passiert ist, geht das allerdings problemlos. Ist aber so schlimm nicht gewesen, auch wenn man rückwärts umkippt, nimmt man automatisch die Hände um sich aufzufangen. So, als würde man mit Rollschuhen auf dem Po landen. So bin ich recht sanft auf meiner Rückenlehne gelandet. Aufstehen ging da noch, jetzt hätte ich ein Problem. Ich wäre so ein wenig Käferchen. Aber das war eine gute Schule, nun kontrolliere ich immer ob er draußen ist.)

 So kullerte ich mit ein paar der fitteren Mitstreiter über die diversen Hürden und lernte, dass man manches Hindernis besser rückwärts anfährt, wie man den Rolli vorne lupft und wie man gut unebenes Gelände meistert. Das war echt sehr gut.

Die erste Stunde war dann auch bald rum und ich sagte zu, in der folgenden Woche ebenfalls teilzunehmen. Da sollte dann der besagte Übungsleiter auch wieder gesund sein.

Da ich nun wusste, dass ich Hilfe bekommen würde, bin ich alleine hingefahren. Es hob mir jemand den Rolli aus dem Wagen und es ging los. Wieder so, wie in der Woche zuvor. Warmmachen, hin und her kullern, Ballons stupsen, Bälle werfen, manchmal sogar auch fangen… oh mein Gott… ich merkte dass es nichts für mich war. Da musste noch viel geschehen, bis ich mich dort wohl fühlte. Das lag wirklich nicht an den Menschen, ausnahmslos jeder war sehr nett, aber die ganze Stimmung und Umgebung hatte irgendwie etwas Bedrückendes. Kurz schnellte meine Sorge wieder hoch, und ich wünschte mir (;-)) dass es so bitte nicht in der Reha sein möge. Wenn ich heimfuhr war ich immer ein wenig depri. Das konnte nicht Sinn der Sache sein. Auch diesmal fehlte besagter Übungsleiter, sodass der Herr der vergangen Woche wieder die Hürden aus Matten baute.

 So schwer war das nun auch wieder nicht, als dass ich das nun noch ewig hätte üben müssen. Allerdings brachte ein Gespräch mit dem „Chef“ einige wirklich wertvolle Tipps. So auch den, dass ich nur einen umgebauten PKW von der Rentenversicherung bewilligt bekomme, solange ich keine Rente beantrage. Aha? Nicht, dass ich mich mit solchen Gedanken getragen hätte, aber manch einer ist damit böse auf die Nase gefallen, hat Rente beantragt und dann gedacht: „Och, lässte dir vorher noch nen PKW bauen…“ …War wohl nichts… Ist ja ohne Rentenantrag schon schwer genug, wie ich nun weiß. Das war also ein sehr wertvoller Tipp, der mich überhaupt erst auf den Gedanken an einen umgebauten PKW gebracht hat. Und auch die Rehacare erwähnte er, besagte Messe, die einem wirklich ALLES was es an Hilfsmitteln auf dem Markt gibt, zeigt. Die habe ich vor wenigen Wochen das erste Mal besucht und war schwer begeistert. Und noch ein paar mehr Ratschläge und Gedankenanstöße hatte er, aber wollen wir mal nicht zu sehr aus dem Nähkästchen plaudern… ;-)

So war auch dieser Ausflug wieder für eine Menge gut.

Als er mich aber fragte, ob ich nun regelmäßig kommen möchte, lehnte ich dankend ab. Fahrtraining hatte ich ja jetzt genossen, das reichte dann auch erstmal. Wieder leicht depri fuhr ich heim. Nö, nochmal würde ich nicht hinfahren. Dennoch danke für all die guten Tipps!





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