Bäuchlings


Die Ärztin in Aachen hatte es angesprochen, mein Neurologe auch. Sie wollten mich gerne in die Reha schicken. Aber ich hatte gar keinen Drang. Ich wollte von meinem grade neuen Zuhause nicht weg, wollte lieber den Sommer auf der Terrasse und im Garten verbringen und mir war so gar nicht danach, mich mit einer Menge kranker Menschen zu umgeben. Mein Schreckgespenst war, dass ich von all dem Elend um mich rum womöglich doch noch eingeholt und depressiv wurde.

So habe ich mich erstmal tot gestellt und keinen Antrag ausgefüllt. Hat auch eine ganze Zeit gut geklappt. Da ich aber immer weiter krankgeschrieben wurde, ist irgendwann auch meine Krankenkasse auf diese Idee gekommen. Und wenn die auf die Idee kommen, heißt es spuren. Entweder man füllt den Reha-Antrag aus oder es wird einem das Krankengeld gestrichen. Zähneknirschend habe ich es also gemacht. Abgegeben und mit gerümpften Nasenrücken auf Post gewartet. Hier kam dann wieder mein geneigtes Schicksal ins Spiel. Ich sollte lange, lange Zeit keine Post bekommen. Mein Wunsch wurde erfüllt, ich durfte den Sommer zu Hause verbringen. Und da ich mich weiter totstellte und nicht nachfragte, hat es tatsächlich bis zum November gedauert, dass ich in Reha musste. Haha!

 

Jetzt war aber erstmal Mai/Juni. Ich habe mich weiterhin mit Louise L. Hay beschäftigt. Außerdem bin ich zu einem traditionellen chinesischen Mediziner gegangen und habe mit Akupunktur begonnen. Und ich habe meinen Psychotherapeuten wieder kontaktiert.

Wir kannten uns schon aus einer Zeit, die so voller Umbrüche und Irrungen und Wirrungen war, ich dachte damals, ich stehe kurz vorm Wahnsinn. Er hat mir zu dieser Zeit sehr geholfen. Mein jetziger Ansporn war, dass ich vieles, was ich damals unausgesprochen gelassen hatte, nun vielleicht doch aufarbeiten sollte. Nicht weil ich den Wunsch hatte, im Matsch zu wühlen, nein, mehr aus der Hoffnung heraus, dass ich nur gut genug mein Innerstes aufräumen muss, dann würde ich vielleicht wieder gesund werden.

Im Nachhinein betrachtet, finde ich mein Innerstes schon recht gut sortiert, gesund bin ich aber trotzdem nicht geworden. Und dass ich darüber lachen kann, zeigt, WIE gut ich sortiert bin. ;-)

Zu der Zeit aber war er der Halm, an den ich mich klammerte. Fein affirmieren, akupunktieren und therapieren. Und nach wie vor: Ganz viel schlafen. Mittags musste ich mich hinlegen, ich war richtig müde. Wahrscheinlich war mein Leben ja auch ganz schön beschwerlich, so wie ich mich anstrengen musste, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Dies alles begann so im Juni.

Die Akupunktur tat mir gut. Eine Sitzung dauert so ca. 40 Minuten. Sind die Nadeln gesetzt, liegt man in einer dämmrigen Ruhe, umgeben von chinesischer Musik. Das entspannt. Hier erlebte ich zum ersten Mal, dass man nicht entsetzt die Brauen nach oben zog wenn ich meine Arztberichte vorlegte. Dieses Entspannte mit der Krankheit umgehen hat ihr eine Menge Schrecken genommen. Der Arzt ging sogar so weit, zu sagen, er erwarte Verbesserung. Allerdings könne dies sehr, sehr langwierig sein. Kann man glauben oder nicht. Ich gehe bis heute 1x wöchentlich dorthin. Und immer noch fühle ich mich sehr wohl dort. Wäre es anders würde ich aufhören. Ich bin über den Zeitpunkt hinweg, wo ich etwas tue um etwas zu erreichen. So wie es im Juni 2015 war. Nun tue ich es, weil ich einen Nutzen daraus ziehe. Habe ich das Gefühl, dies ist nicht (mehr) der Fall, höre ich damit auf. Das gilt für alles.

Auch für zwischenmenschliche Kontakte. Fühle ich mich nicht mehr wohl, gehe ich aus diesem Kontakt heraus. Das darf der andere verstehen oder auch nicht, er darf es doof finden oder auch nicht, er darf fühlen, was er fühlt. Andersherum akzeptiere ich auch, wenn es jemand bei mir macht. Ich finde das ehrlich und wahrhaftig. Und respektiere solche Entscheidungen. Ohne sie persönlich zu nehmen, denn es ist ja seine/ihre Entscheidung. Versucht es vielleicht mal.

 

So habe ich tatsächlich einige Wochen in diesem Jahr auf die Akupunktur verzichtet, nur um zu sehen, ob sich etwas verändert. Und ja, sie fehlte mir. Jetzt kann man sich die Frage stellen, ob sie etwas bringt. Woher soll ich das wissen? Es gibt nur die Möglichkeit, etwas zu tun oder es zu lassen. Weiß ich, wie ich mich fühlen würde, hätte ich sie nie begonnen? Nein. Genauso, wie ich nicht weiß, ob die Tabletten, die ich täglich nehme, etwas bringen. Besser geworden ist es nicht, aber vielleicht ist es viel langsamer schlechter geworden als ohne diese Behandlungen? Darum höre ich bei solchen Dingen auf meinen Bauch. Der weiß schon was zu tun und zu lassen ist.

 

Der „Erfolg“ der Psychotherapie ist da schon messbarer. Anfangs war es mehr so ein „Ich will jetzt ganz lieb mein Innerstes nach außen holen, dann wird alles gut“. Da bin ich schon lange nicht mehr. Es entspinnen sich interessante Gespräche, teilweise philosophisch, manchmal total pragmatisch, sehr lehrreich sind sie auch und sehr oft sehr lustig. Es kommen Lebensweisheiten, Erkenntnisse und gute Tipps dabei rum und manchmal auch gar nichts, dennoch war es eine gute Zeit. Also auch hier: ich fühle mich wohl, also darf es bleiben.

Einzig bei der Physiotherapie hat mein Bauch kein Mitspracherecht. Dazu habe ich nämlich so wenig Lust, wie man nur haben kann. Das ist dann aber auch kein Bauchgefühl. Wollen wir mal ehrlich sein, da hat se einfach keinen Bock drauf. ;-) Da schiebt mich mein Hirn dann hin. Wat mutt, dat mutt. So’n büschen turnen hat noch keenem jeschadet, wa?


Bild: Sonnenaufgang mit Text
13. LEBE!




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