Silvester haben Thompson und ich auf der Couch verbracht. Da mein Schädel ja noch rumorte, war es eh schon anstrengend für mich, überhaupt so lange wach zu bleiben. Großes war da von mir nicht mehr zu erwarten. Waren wir im Jahr davor noch in den Prinzessinnen-Turm heraufgestiegen, um von dort aus den Dachfenstern über Teile unserer Stadt zu schauen und das Feuerwerk zu genießen, so blieben wir in diesem Jahr unten. Alles zu anstrengend. War aber auch gar nicht schlimm. Die Kinderlein waren auf diversen Feiern und wir zufrieden auf unserem Sofa. Meine Kraft in den Beinen war schon sehr reduziert mittlerweile. Ich kam noch überall hoch, aber eben mit Anstrengung. Da die dann wieder Kopfschmerzen machte, sparte ich sie mir sooft es ging. Aus’m Dachfenster gucken war schön, aber nicht schön genug um da hoch zu hampeln.
Im neuen Jahr habe ich dann den Versuch gestartet, mit Hilfe der Wiedereingliederung arbeiten zu gehen. Anfangs für dreimal die Woche 4 Stunden. Nun ist es mal so: Bisse Chef, bisse da. Da hilft es nicht viel, wenn man eigentlich ja schon längst heim sollte, weil die Zeit vorüber war. So wurden es meist mehr als die geplanten Stunden. Plus die, die ich zu Hause mit irgendwelchen Planungen und Schriftverkehr zubrachte. Da die Firma für eine Wiedereingliederung nicht zahlt, habe ich ihr eine Menge geschenkt, würde ich mal vermuten. Selber schuld. Schwamm drüber. Der Kopf meckerte nach wie vor, wenn auch beileibe nicht mehr so extrem wie zu den Anfangszeiten. Aber die Schmerzen waren immer da. Das wenigstens schaffte es, mich heimzulotsen. Stand ich an der Kasse, war es immer mal schwer, eine Gewichtsverlagerung hinzubekommen ohne das Gleichgewicht zu verlieren, jede Bewegung war zum einen anstrengend, zum anderen war Konzentration gefragt. Oft bat ich eine Kollegin, für eine Kundin in die Reserve zu gehen um irgendwas hochzuholen oder nachzusehen. Allein der Gedanke, diese Wege zurück zu legen, waren schon „argh!“. Klar machten meine Kolleginnen es. Aber ist das der Sinn der Sache? Dass ich mit weniger als der halben Kraft dabei war? Das war irgendwie auch nicht mein Anspruch, den ich an mich hatte. Dennoch habe ich den Januar mit der Einarbeitungsphase durchgezogen. Den Februar habe ich dann normal gearbeitet. Das heißt, die erste Woche, dann hatte ich erstmal Urlaub, den Rest aus dem Vorjahr.
In dieser Woche reifte so langsam die Gewissheit in mir, dass ich Unterstützung beim Gehen brauche, ob es mir passt oder nicht. Ich bin also in das Sanitätshaus, das ich schon mal wegen anderer Dinge aufgesucht habe und habe das vorher beim Arzt georderte Rezept für eine Gehhilfe abgegeben. Und da war er, mein Krückstock. Geilo.Es ging so viel besser damit und ich fühlte mich so viel schlechter. „Wie eine alte Oma“, dachte ich und schämte mich zu Tode. Nutzte aber nix, dauernd auf die Nase fallen wollte ich auch nicht mehr. Also Augen zu und durch. Und auf ins Geschäft. Die SL (Storeleaderin) geht am Stock. Tun bei uns alle, bei mir war es aber nun offensichtlicher. Er war schwarz, hatte eine ergonomisch geformte Handauflage und ich hatte mir eine Halteschlaufe daran befestigen lassen, damit ich ihn am Handgelenk baumeln lassen konnte. Damit war es amtlich. Behindert. So bin ich also ins Geschäft gegangen, die Blicke der Kolleginnen sprachen Bände. Ich zuckte nur die Achseln, damit war alles gesagt. Mit diesem Stock konnte ich mir recht gut helfen. Manchmal stellte ich ihn in die Ecke, wenn ich irgendwas erledigte, aber eigentlich war es wichtig, dass er dabei war, er verhalf mir zu mehr Sicherheit und Halt. Mein Freund wurde er nie. Ich empfand ihn tatsächlich noch schlimmer, als ich meinen Rollstuhl jemals empfunden habe. In dem bin ich, wenn auch sitzend, so doch recht wendig, was ich mit dem Stock nie war. Da war ich nur gehandicapt und keine wie alle in meinem Alter. Ich fiel auf. Habt ihr schon mal ne Verkäuferin mit nem Gehstock gesehen? Eben.
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