Vor ein paar Tagen habe ich es bei Facebook gefunden:
http://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/Sex-unter-Behinderten-Ein-Gespraech-ueber-ein-Tabuthema-id38942857.html
Sex unter Behinderten. Ein Gespräch über ein Tabuthema.
Nebenbei bemerkt, ist die Überschrift völlig am Thema vorbei. Denn hier geht es überhaupt nicht um Sex unter Behinderten. Jut, egal, wollen wir mal nicht so sein.
Also, Sex unter Behinderten ist also ein Tabu-Thema? Weil alle anderen ja völlig frei über ihr Sexleben sprechen, nicht wahr? Wie oft sitze ich gemütlich in einem Café (am liebsten in einem mit Behinderten-Toilette, wie ihr wißt... ;-)) und höre den Gesprächen der anderen Gäste zu, die sich ausgiebig über ihr Sexualleben austauschen. Völlig normal.
Wenn ich solche Überschriften lese, bekomme ich Wallungen. Und die sind eindeutig nicht sexueller Natur.
Was ist daran ein Tabu, wenn ein/e Behinderte/r, ein/e Alte/r, ein Schwuler, eine Lesbe, ein/e, ein Elternpaar mit Baby, Normale/r (wenn ihr eine/n seht, kurze Meldung an mich, möchte sie/ihn gerne kennenlernen!) ihr Sexleben nicht auf einem goldenen Tablett ausbreiten? Ist es nicht vielmehr ein ganz wichtiger Teil der Privatsphäre? Was ist daran Tabu, wenn man nicht jedem erzählt, was so läuft zuhause? Oder was nicht, oder wie und wie oft und ob überhaupt?
Und warum ist es hervorhebenswert, dass auch Behinderte, Alte… ein Sexleben haben (möchten)?
Wie wären die Überschriften: "Herr XY, ihr Sex mit einer Prostituierten", "Ehepaar Meier. Wie oft haben sie Sex? Wie, gar nicht???" "Mein Date mit dem Callboy" Ein Gespräch über ein
Tabu-Thema.
Was ich sagen will:
Ich finde, solche Artikel rutschen schnell in ein Voyeurismus-Niveau ab. Haben nicht unbedingt was mit Information zu tun. Das will ich diesem Artikel gar nicht unterstellen. Aber die Gefahr
besteht, weil dadurch, dass es überhaupt als berichtenswert angesehen wird, es auch einen exotischen Anstrich bekommt. Denn wenn es normal wäre, würde ja niemand darüber schreiben.
Ich denke, egal, wie und ob jemand eingeschränkt ist, wenn er sich wohl genüg fühlt, um an Sex zu denken, dann wird er sicherlich auch Mittel und Wege finden, dies umzusetzen. Dazu braucht es keinen Tabubruch.
Gut finde ich, dass die Interviewte am Ende des Artikels sagt:
Zitat: “ ...Dass Sexwork, egal ob Sexualbegleitung, Tantra-Arbeit oder normale Prostitution allgemein positiver bewertet würde. Die Frauen sollen weder als arme Opfer – es sei denn, sie sind es wirklich, dann sollen sie natürlich jede mögliche Unterstützung bekommen – noch als geldgierige Huren wahrgenommen werden. Sexwork sollte als vollkommen normale Arbeit akzeptiert werden....“ Zitat Ende.
Meine Meinung. Genauso wie „normale“ Prostitution nichts in Grauzonen zu suchen hat, so sollte auch eine Sexualbegleitung nicht schief angeguckt werden. Aber auch nicht in die Rubrik „Rettet die armen Behinderten“ gehoben, oder gar als was Besseres als es Prostituierte sind, hingestellt werden.
Jeder Mensch hat Bedürfnisse und die sollten so gut wie möglich erfüllt werden können. In einem Rahmen, der keine anderen Menschen belästigt und niemanden erniedrigt oder ausgrenzt.
Und wenn dann nicht jeder ein Buch über seine Erlebnisse schreibt, finde ich das völlig in Ordnung und weit weg von einem Tabu.
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