Abschiede


Heute ist der Tag der Abschiede wie es scheint.

Eine Bekannte hat grade bei Facebook den Abschied ihrer Mutter bekanntgegeben, 2,5 Monate, nachdem deren Mann ihr vorangegangen war. 

Beide Elternteile sind nun fort. Und je nachdem wie innig die Verbindung war, ist das eine tiefgreifende Erschütterung. Nicht alle Verbindungen sind so innig. Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen. Es ist ein wenig verpönt, wenn man sagt, man habe kein so gutes Verhältnis zu seinen Eltern. Spätestens zu deren Tod sollte dies dann bitte aber nicht mehr thematisiert werden. Das hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Schließlich lieben wir alle das Bild der trauten Familie, Kinder umgeben von sie liebenden und behütenden Eltern. War die Kindheit nicht ganz so rosa, hat man dies den Eltern spätestens dann zu verzeihen, wenn sie alt, krank und hilflos werden. Und man möge sich auch bitte fragen, in wieweit man selber „schuld“ an dieser Familiensituation war. Vielleicht war man ja ein schwieriges Kind…

Ihr habt es erraten. Ich würde meine Kindheit als nicht ganz so rosa einschätzen. Und wenn ich dann in meinem Umfeld von den Abschieden anderer lese, stelle ich mir die Frage, wo ich stehe. Mein Vater ist schon lange tot. Als ich die Nachricht von seinem Tod bekommen habe, habe ich dies zur Kenntnis genommen. Sein Tod fiel in eine Zeit meines totalen Lebensumbruchs. Er war nur einer von vielen Abschieden und irgendwann konnte ich nichts mehr aufnehmen und nahm dann nur noch zur Kenntnis. Zumal der emotionale und viel traurigere Abschied von meinem Vater schon viel früher vollzogen wurde. Als er sich in meinen Augen von meinem für ihn erbauten Podest gestoßen hat. Der Papa hatte sein Papa-Kind enttäuscht. Durch mir nicht nachvollziehbares Verhalten. Ich glaube dieser Moment des Abschiedes war sein eigentlicher Tod, dem der körperliche Jahre später an Trauer nicht das Wasser reichen konnte.

Nun habe ich noch meine Mutter. Auch hier kann ich leider nicht von einem innigen Verhältnis berichten. Ich denke, sie haben so gelebt und erzogen wie sie es konnten. Sie waren nicht böse, sondern vielleicht überfordert und dennoch immer bestrebt, das Richtige zu tun. Es ist ok. Meine Mutter benötigt auf Grund einer Demenz nun meine Hilfe. Vor einigen Jahren, da war sie noch gesund, habe ich mir geschworen, dass ich keinen Finger rühren werde.

Gott sei Dank ist die Unversöhnlichkeit einer sachlichen Betrachtung gewichen. Sie braucht diese Hilfe und sie bekommt sie auch. Alles andere könnte ich mit mir nicht vereinbaren. Wenn dieser Abschied kommt, kann ich ihn in dem Wissen begehen, dass ich mit mir und ihr im Reinen bin. Und mit meinem Vater auch. Alles gut.

Grade kam dann auch die Nachricht, dass ein Nachbar auf der Straße wo ich aufgewachsen bin, gestorben ist. Es sind Kindheitserinnerungen die da wach werden. Von Schützenfesten, an denen meine Eltern mitten drin waren, er als Mitglied der schwarzen Husaren. Ich habe die Feste geliebt, waren sie davon getragen, dass wir auf dem Kirmesplatz an der Raupe standen und wann immer wir (meine Freundinnen und ich) wieder finanziellen Nachschub brauchten, sind wir hoch zur Kneipe gelaufen um Mama und Papa um Knete anzubetteln. Und das hat echt oft geklappt. Zu Schützenfest-Zeiten waren meine Eltern sehr aufgeräumt und wohlgelaunt. Und recht angeheitert mit fortschreitender Tageszeit. ;-) Und dann gab es ja auch noch all die anderen Menschen um uns herum in dieser Kneipe, die ich natürlich auch alle kannte und die mir dann auch immer was zugesteckt haben. Eine tolle Zeit, an die ich sehr gerne zurückdenke.

Seine Söhne sind in meinem Alter. Einer von ihnen war später der Trainer meines Sohnes, so haben wir uns wiedergesehen. Und der nun gestorbene Vater hat meinen Sohn auch noch trainiert. So hat dieser Mensch uns alle berührt. Und nun ist er gegangen. Eine Generation verabschiedet sich. Das lässt mich wehmütig zurückblicken. Der Lauf der Zeit ist nicht aufzuhalten. Ich möchte ihn mit ruhigem Sinn erleben. Ohne Vorwürfe und Beschuldigungen.

Und nun verabschiede ich mich auch. Aus der Uniklinik Bochum. Die Fläschchen sind alle in mich reingetropft, mein Körperscann läuft, wie immer, und ich schaue auf mögliche Zeichen der Verbesserung. Gleich kommt mein Taxifahrer und dann geht es wieder heim. 

Ich freue mich darauf!


Bild: Buddha
Sehr glücklich!



Kommentar schreiben

Kommentare: 0